- 129 -Kayser-Kadereit, Claudia: Das Laiensinfonieorchester im Horizont von Anspruch und Wirklichkeit 
  Erste Seite (i) Vorherige Seite (128)Nächste Seite (130) Letzte Seite (246)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

woraus der »Wunsch vieler Liebhaber« erwächst, »das aus den Medien ›Beliebte‹ selbst auch einmal gestalten zu dürfen, - ein Recht, das ihnen durchaus zusteht.«132
132 GOEBELS, in DLO 1959, Heft 1, S. 3.
Musikalische Aktivitäten erhielten nachweislich ein größeres Gewicht bei der individuellen Freizeitgestaltung.133
133 Vgl. GRUHN 1993, S. 367 und 371.
Freiwilligkeit und Bildungserwartungen begegneten sich hier außerhalb der Schulpädagogik vor allem im Bereich der Erwachsenenbildung: »es ist doch sein Hobby, ein freiwilliges Vergnügen, ein geistiger Lieblingssport neben dem Hauptberuf her, eine Bereicherung der persönlichen Existenz [. . .] mit Opfern an Geld und Bequemlichkeit, eine beglückende Zugabe des Daseins, ein Heilmittel gegen den drohenden Alltag der Verphilisterung, und nicht zuletzt ein erheblicher Beitrag zur allgemeinen Kulturleistung, zur Musikerziehung, zur Tonkunstpflege.«134
134 MOSER, S. 37; Vgl: »Nur wenn ich selbst etwas mitgestalte, ist meine ganze Seele daran beteiligt. Ich bin dann in dem Sinn aktiv, daß ich auch von meiner Seele etwas an das Musikwerk hingebe, und erst so wird es ganz mein.« (SPRANGER, in DLO 1955, Heft 3, S. 34.); »Der musizierende Dilettant erlebt sich als ›Schöpfer‹, wenn Musik in ihm und durch ihn wirklich lebendig wird, wenn er als nachlebender Gestalter das Werk in seinen inneren Zusammenhängen begreift.« (LUCHTENBERG, in DLO 1958, Heft 1/2, S. 5.)
So verstärkten sich die Argumente Ende der 1950er Jahre zunächst wechselseitig, ohne in nennenswerten Widerspruch zu geraten. Die ›liebhabergemäße‹ Ausübung des Orchesterspiels diente somit mehreren grundlegenden kulturellen Absichten: Der Bewahrung und der nachschaffenden Beschäftigung überlieferten und zeitgenössischen Musiziergutes zum Wohle der Allgemeinheit; Der individuellen Bewußtseinserweiterung des Einzelnen, der aktiv musiziert, sowie dem positiven Gemeinschaftserlebnis, demgegenüber Technik und Vereinzelung wachsende soziologische Bedeutung zukomme. Um 1960 hatte sich der BDLO gesellschaftlich und kulturell legitimiert.135
135 Das Liebhabermusizieren habe »im großen Bereich des Musiklebens unverwechselbare Aufgaben, die auch von keiner anderen Institution übernommen werden könnten, ohne daß das Leben unserer Gesellschaft dadurch ärmer würde«. (SCHÄFER, in DLO 1967, Heft 3, S. 2.)
1960 wurden erstmals vorsichtige Ansätze eines sich wandelnden Selbstverständnisses in den BDLO-Quellen erkennbar. So wandte sich ERPF unmißverständlich gegen die bisherige und seiner Meinung nach nicht mehr ausreichende Argumentation in der Legitimationsfrage. Die Existenzberechtigung der Liebhaberorchester könne man nicht mehr »von vorneherein mit sentimentalen oder pathetischen Gründen bejahen.«136
136 ERPF in DLO 1960, Heft 3, S. 41.
Er hob ab auf den Anspruch der ›geistigen Gestaltung‹ der Orchesterarbeit bei bestmöglichem, wenn auch unvollkommenem technischen Vermögen, womit er die ›Werktreue‹ als ›Treue zum Gesamtwerk‹, nicht als ›Treue zur Einzelnote‹ definierte. ›Perfektion‹ sei Aufgabe der Berufsorchester und deren Kriterium. Mit Erpf meldete sich ein Musikpädagoge zu Wort, der in der Diskussion um ADORNOS »Generalangriff auf die musische Bildung, ihre ›Philosophie‹ und ihr ›Bild‹ von Musik«137
137 GIESELER, S. 182.
neben ERICH DOFLEIN und THEODOR WARNER um konstruktive Kritik und musikpädagogische Innovation bemüht war. Erpfs Kritik an der Haltung der BDLO-Verbandsleitung ist in unmittelbarem Zusammenhang mit seinen Entgegnungen auf den Standpunkt der Vertreter des ›musischen Prinzips‹ zu sehen.138
138 »[. . .] das Unbequeme beiseiteschieben, [. . .] sich gegen die konkreten Vorhaltungen mit billigen Ausflüchten wehren oder [. . .] es überhaupt ablehnen – unter Berufung auf ihre praktische Tätigkeit – sich mit den angeschnittenen grundsätzlichen Fragen zu beschäftigen. So aber wird man einem Kritiker vom Rang Adornos nicht gerecht, noch widerlegt man die Einwände, die er zu machen hat, noch beseitigt man die Schäden, die er deutlich genug aufweist.«(ERPF, HERMANN: Das Unbequeme nicht beiseite schieben!, in: Neue Zeitschrift für Musik 1957, S. 279ff., zit. bei GIESELER, S. 187.)
Die Irritationen, Diskussionen und Veränderungen,

Erste Seite (i) Vorherige Seite (128)Nächste Seite (130) Letzte Seite (246)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 129 -Kayser-Kadereit, Claudia: Das Laiensinfonieorchester im Horizont von Anspruch und Wirklichkeit