woraus der »Wunsch vieler Liebhaber« erwächst, »das aus den Medien ›Beliebte‹
selbst auch einmal gestalten zu dürfen, - ein Recht, das ihnen durchaus
zusteht.«132
132 GOEBELS, in DLO 1959, Heft 1, S. 3.
|
Musikalische Aktivitäten erhielten nachweislich ein größeres Gewicht bei der individuellen
Freizeitgestaltung.133
133 Vgl. GRUHN 1993, S. 367 und 371.
|
Freiwilligkeit und Bildungserwartungen begegneten sich hier außerhalb der
Schulpädagogik vor allem im Bereich der Erwachsenenbildung: »es ist doch
sein Hobby, ein freiwilliges Vergnügen, ein geistiger Lieblingssport neben
dem Hauptberuf her, eine Bereicherung der persönlichen Existenz [. . .] mit
Opfern an Geld und Bequemlichkeit, eine beglückende Zugabe des Daseins, ein
Heilmittel gegen den drohenden Alltag der Verphilisterung, und nicht zuletzt ein
erheblicher Beitrag zur allgemeinen Kulturleistung, zur Musikerziehung, zur
Tonkunstpflege.«134
134 MOSER, S. 37; Vgl: »Nur wenn ich selbst etwas mitgestalte, ist meine ganze Seele daran
beteiligt. Ich bin dann in dem Sinn aktiv, daß ich auch von meiner Seele etwas an das
Musikwerk hingebe, und erst so wird es ganz mein.« (SPRANGER, in DLO 1955, Heft 3,
S. 34.); »Der musizierende Dilettant erlebt sich als ›Schöpfer‹, wenn Musik in ihm und
durch ihn wirklich lebendig wird, wenn er als nachlebender Gestalter das Werk in seinen
inneren Zusammenhängen begreift.« (LUCHTENBERG, in DLO 1958, Heft 1/2,
S. 5.)
|
So verstärkten sich die Argumente Ende der 1950er Jahre zunächst wechselseitig, ohne in
nennenswerten Widerspruch zu geraten. Die ›liebhabergemäße‹ Ausübung des
Orchesterspiels diente somit mehreren grundlegenden kulturellen Absichten:
Der Bewahrung und der nachschaffenden Beschäftigung überlieferten und
zeitgenössischen Musiziergutes zum Wohle der Allgemeinheit; Der individuellen
Bewußtseinserweiterung des Einzelnen, der aktiv musiziert, sowie dem positiven
Gemeinschaftserlebnis, demgegenüber Technik und Vereinzelung wachsende soziologische
Bedeutung zukomme. Um 1960 hatte sich der BDLO gesellschaftlich und kulturell
legitimiert.135
135 Das Liebhabermusizieren habe »im großen Bereich des Musiklebens unverwechselbare
Aufgaben, die auch von keiner anderen Institution übernommen werden könnten, ohne
daß das Leben unserer Gesellschaft dadurch ärmer würde«. (SCHÄFER, in DLO 1967,
Heft 3, S. 2.)
|
1960 wurden erstmals vorsichtige Ansätze eines sich wandelnden Selbstverständnisses in
den BDLO-Quellen erkennbar. So wandte sich ERPF unmißverständlich gegen die
bisherige und seiner Meinung nach nicht mehr ausreichende Argumentation in der
Legitimationsfrage. Die Existenzberechtigung der Liebhaberorchester könne man
nicht mehr »von vorneherein mit sentimentalen oder pathetischen Gründen
bejahen.«136
136 ERPF in DLO 1960, Heft 3, S. 41.
|
Er hob ab auf den Anspruch der ›geistigen Gestaltung‹ der Orchesterarbeit bei
bestmöglichem, wenn auch unvollkommenem technischen Vermögen, womit er die
›Werktreue‹ als ›Treue zum Gesamtwerk‹, nicht als ›Treue zur Einzelnote‹ definierte.
›Perfektion‹ sei Aufgabe der Berufsorchester und deren Kriterium. Mit Erpf
meldete sich ein Musikpädagoge zu Wort, der in der Diskussion um ADORNOS
»Generalangriff auf die musische Bildung, ihre ›Philosophie‹ und ihr ›Bild‹ von
Musik«137
neben ERICH DOFLEIN und THEODOR WARNER um konstruktive Kritik und
musikpädagogische Innovation bemüht war. Erpfs Kritik an der Haltung der
BDLO-Verbandsleitung ist in unmittelbarem Zusammenhang mit seinen
Entgegnungen auf den Standpunkt der Vertreter des ›musischen Prinzips‹ zu
sehen.138
138 »[. . .] das Unbequeme beiseiteschieben, [. . .] sich gegen die konkreten Vorhaltungen mit
billigen Ausflüchten wehren oder [. . .] es überhaupt ablehnen – unter Berufung auf ihre
praktische Tätigkeit – sich mit den angeschnittenen grundsätzlichen Fragen zu
beschäftigen. So aber wird man einem Kritiker vom Rang Adornos nicht gerecht, noch
widerlegt man die Einwände, die er zu machen hat, noch beseitigt man die Schäden, die
er deutlich genug aufweist.«(ERPF, HERMANN: Das Unbequeme nicht beiseite
schieben!, in: Neue Zeitschrift für Musik 1957, S. 279ff., zit. bei GIESELER,
S. 187.)
|
Die Irritationen, Diskussionen und Veränderungen,
|