In diesem Punkt gibt es einen Konsens über die Verbandsgrenzen
hinaus.126
126 Der damalige Präsident des Deutschen Musikrates, MEERSMANN, sieht einerseits
das tradierte häusliche Musizieren, aber »auf der Gegenseite stehen Rundfunk,
Schallplatte und Television, von denen die Propheten voraussagen, daß sie die
letzten Reste eigenen häuslichen Musizierens schnell vernichten würden. Es
scheint nicht, daß sie recht behielten.« (MEERSMANN, in DLO 1962, Heft 3,
S. 52.)
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Der Gedanke der notwendigen Bewahrung dieser Musikausübung als
kulturelles Erbe wurde nach 1945 als aktuell und zeitgemäß verstanden.
Denn es gelte, »fremden Geisteshaltungen – Perfektionismus, Materialismus,
Primitivismus –, die den Gedanken des echten Liebhabertums zu vernichten
drohten.«127
127 MANTZE 1965, S. 44; Vgl. WALSER, in DLO 1956, Heft 3, S. 43: »Der musische Mensch
steht den verwirrenden Erscheinungen unserer Zeit sicherer und gelassener gegenüber. Ja,
er findet leichter als andere zu einer Daseinsform zurück, die uns fast fremd geworden ist:
zu gelöster Fröhlichkeit, zum Tanz, zum Spiel.«
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entgegenzuwirken, was kulturpolitisches Engagement der Führungskräfte und
›Kulturpflege‹ durch jeden einzelnen Mitwirkenden erfordere. Gemeint war der
US-amerikanische Einfluß, dessen Prinzipien des ›know how‹ mit Perfektionismus, des
›business‹ mit Materialismus und die Jazz-Kultur mit Primitivismus gleichgesetzt und
abgelehnt wurden. Die Politik macht sich diese Ansicht zu eigen, zumindest
wird den Musizierenden gegenüber ausgesprochen, was diese gerne hören
möchten:128
128 Ministerialrätin SPANGENBERG auf der Bundestagung 1958 in Darmstadt, in DLO 1958,
Heft 3, S. 35: Die Mode der ›Plattensammlung‹ sei »gefährlich für unsere Jugend, eine
Folge des perfekten Kunstgenusses, der zum passiven Erleben drängt und die aktiven
Mühen verkümmert«.
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»Selbst
das nur passive Hinnehmen, das jene technischen Kommunikationsapparate
ermöglichen, kann nie und nimmer aktives Musizieren und darstellendes Mittun
ersetzen, da es je länger je mehr zu einer beklagenswerten Vernachlässigung eigener
Bildekräfte verführt [. . .] die kulturelle Entwicklung ist hinter dem technischen
Fortschritt zurückgeblieben.« In Gefahr seien »jene Werte anderer Wesensart, die
nicht so handgreiflich gegenständlich sind, wie diese technischen Objekte, die
Werte einer geistig-sittlichen Wirklichkeit«. Bezugnahme und Abgrenzung zur
Musikpädagogik, besonders zur Schulmusik, werden deutlich: Das Prinzip des
›Musischen‹ wurde erneut etabliert. Nach den Erfahrungen des Dritten Reiches
sprach die Musikpädagogik lieber von ›Musischer Bildung‹ als von ›Musischer
Erziehung‹129
129 Vgl. GRUHN 1993, S. 281.
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und ignorierte den Ballast des ideologischen Mißbrauchs der Vergangenheit: »die deutschen
Liebhaberorchester sind nicht stehengeblieben, sondern haben sich allen skeptischen
Voraussagen zum Trotz rege weiterentwickelt im Dienst der musischen Ganzheit unserer
Nation.«130
130 Redaktion DLO 1955, Heft 3, S. 41.
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Ansätze zur Rezeption der zeitgenössischen Musik durch Laienorchester sind zeitgleich
mit dem Interesse der Fachwelt an Neuer Musik festzustellen, welches sich in den
Tagungen des ›Institutes für Neue Musik und Musikerziehung‹ in Darmstadt ab 1948
dokumentiert.131
131 Vgl. GRUHN 1993, S. 284; Siehe die Bibliographie des DLO unter dem Stichwort ›Neue
Musik‹.
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Die Jugend befriedigte ihre musikalischen Bedürfnisse außerhalb des schulischen
Musikunterrichts mittels Medien mit Rock’n’Roll und Jazz. Außerschulische
Laienorchester boten den eher an klassischer Musik interessierten Jugendlichen
eine weitere Alternative zum Musikunterricht in der Schule an, die weniger
spektakulär und oppositionsbeladen gegenüber den Erwachsenen war. Für diesen
Interessentenkreis haben die Medien die Funktion, Werke hörend kennenzulernen,
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