- 127 -Kayser-Kadereit, Claudia: Das Laiensinfonieorchester im Horizont von Anspruch und Wirklichkeit 
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Leser, besonders außerhalb der Laienmusik Stehenden dürfte unmißverständlich klar geworden sein, wie »die Pflege der wertvollen Instrumentalmusik aus Vergangenheit und Gegenwart« zu erfolgen habe. Waren Häufigkeit, regionale Streuung oder Qualität der Aufführungen maßgebend? Oder verengte sich das Begriffsverständnis nur auf die Beschäftigung mit dem Werk in der Probenarbeit, die einen ebenfalls näher zu bestimmenden »Wert in sich trägt?« Wie entstand und äußerte sich Orchesterarbeit als »kulturelles Verantwortungsbewußtsein und Aufgabenfeld?« Gab es hier einen Modus von Angebot und Nachfrage, eine Wechselwirkung zwischen den gesellschaftlichen Gruppen der Orchester und der interessierten Öffentlichkeit »im Dienst des Gemeinwohls?« Deckten sich die Erwartungen von Instrumentalisten und Außenstehenden, oder agierten sie aneinander vorbei? Obwohl der Dachverband sich schneller als viele Mitgliedsorchester wieder konstituiert hatte, blieben logistische Hilfestellung für die Probleme vor Ort aus. Vielmehr beschränkte sich die Verbandsführung in dieser Situation auf übergeordnete ideelle Zielsetzungen. Erst durch Festvorträge und Gespräche anläßlich der Bundestagungen, zu denen einzelne namhafte Musikwissenschaftler, -kritiker oder -soziologen geladen wurden, erweiterten sich die Stellungnahmen und häuften sich kritische, entwicklungsorientierte Stimmen, die zunehmend in die Verbandszeitschrift Eingang fanden und über sie eine sich erweiternde Zielgruppe erreichten. Eine 1956 aufkeimende Kontroverse123
123 Sie sei »die einzige grundsätzliche Kontroverse über Sinn und Aufgabe des Bundes« dieser Jahre geblieben. (ZIMMERREIMER, in DLO 1956, Heft 3, S. 35.)
um die Ehrung einzelner Orchestermitglieder, deren Befürworter eine Würdigung der Leistung Einzelner für das Ganze, die Kritiker eine Überbewertung des Einzelnen gegenüber der Ensembleleistung und die Gefahr der ›Vereinsmeierei‹ sah, gehört ebenfalls in diese Diskussion um ideologische Standpunkte des Verbandes zum Leistungsgedanken. Es bleibt jedoch festzuhalten, wie es schon für die Vorkriegsorganisation RDOV ermittelt wurde, daß die skizzierten ideologischen Ansätze der 1950er Jahre zunächst nur von einem kleinen Personenkreis um MANTZE artikuliert wurden. Die Orchester vor Ort waren zeitgleich ganz banal und elementar mit der Wiederbeschaffung von Spielmaterial (Noten, Pulte, Räumlichkeiten, Instrumente) und dem Wiederaufbau des Orchesterapparates im Sinne der Vorkriegskonstellation, oft unter derselben künstlerischen Leitung, beschäftigt.124
124 PRINGSHEIM 1967, S. 8: »Es hat lange gedauert, bis nach der totalen Niederlage und vollkommenen Zerstörung der kulturellen Institutionen diese nach und nach wiederhergestellt wurden und die aufgerissenen Mitgliederlücken bei den zunächst zaghaften Versuchen eines Neuaufbaus der Liebhabervereine halbwegs wieder gefüllt werden konnten [. . .] zu inzwischen ohne Zweifel weiter vervollkommneten Orchesterkultur.«
Zehn Jahre nach Kriegsende sind viele Orchester mit z.T. regional weiträumigem Einzugsgebiet wieder spielfähig.125
125 Kreiskammerorchester Diepholz-Vechta, OBERBORBECK, in DLO 1956, Heft 3, S. 36: »Die Mitglieder kommen zu Fuß, auf Rädern und in Kraftwagen mehr als 20, 30, ja 50 km zu den wöchentlichen Proben zusammen.«
Die Frage nach Ursache und Wirkung von gesellschaftlicher Aufmerksamkeit, politischen Forderungen und Unterstützungen der Laienorchester, blieb in den 1950er Jahren zunächst noch offen. Das öffentliche Interesse, das die Orchester mit ihren Konzerten einforderten, diente wiederum als Bekräftigung der eigenen Existenzberechtigung. Ein weiterer Kernpunkt der kultur- und bildungspolitischen Intentionen des BDLO nach 1952 ist das eigene aktive Musizieren gegenüber dem mit passivem Konsum gleichgesetzten Umgang mit den technischen Medien Rundfunk, Tonträger und Fernsehen.

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