als Festredner ein rennomierter Musikwissenschaftler, was als Bestreben gedeutet werden
darf, daß man versuchte, Anschluß an die professionelle und fachwissenschaftliche
Szene zu finden. Die Bundestagung fand vor allem Niederschlag durch HEINZ
PRINGSHEIM110
110 HEINZ PRINGSHEIM (1882–1974) war ausgebildeter Kapellmeister und Korrepetitor
und schrieb Musikkritiken für die Berliner Volkszeitung und die Allgemeine
Musikzeitung.
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in der
›Allgemeinen Musikzeitung‹.111
Pringsheim knüpft in seinem Artikel an die Grundgedanken Menges von 1922 an,
allerdings wird der Aspekt der »Entscheidungshilfen in künstlerischen Fragen«
übergangen. Lediglich drei ›Typen‹ von Werken für Liebhaberorchester werden
vorgestellt: ›Orchesteretüden‹, ›Spielmusiken‹ und ›Konzertmusiken‹. Die Aufgabe, die
sich hieraus ergeben hätte, nämlich diese Materialien den Laienorchesterdirigenten
und -spielern näherzubringen, Hintergrundinformationen und praktische
Erarbeitungshilfen zu geben, wird nicht thematisiert. Die Motivationsproblematik
dieser Literatur klingt zwischen den Zeilen bezüglich des Schulorchesters an:
»Wenn man den einführenden Worten [. . .] glauben darf, so haben die jungen
Leute ihre Freude daran [›Komposition für Streichorchester 1930‹ von H. HEISS,
Leiter des Orchesters]; persönlich hatte ich allerdings den Eindruck, daß sie sich
bei einer Suite von Telemann mit stärkerer innerer Überzeugung« ins Zeug
legten.112
112 PRINGSHEIM 1930, S. 742.
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Mantze führte den ›Reichsbund Deutscher Orchestervereine‹ von 1929
bis zu seiner Gleichschaltung 1934 in der ›Fachgruppe I der Fachschaft
Volksmusik in der Reichsmusikkammer‹ unter nationalsozialistischer
Kulturpolitik,113
113 Die genaue Zuordnung der Laienorchester erfolgte unter ›D III Reichsverband
für Volksmusik‹, Fachverband für alle instrumentale Volksmusik treibenden
Vereine, Mitgliederbestand 200.000 im ›Amt für Chorwesen und Volksmusik‹ der
Reichsmusikkammer, die ihrerseits Teil der Reichskulturkammer war, und damit dem
Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (J. Goebbels) unterstellt war.
(HEISTER/KLEIN, 1984, S. 79.)
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wobei ›Gleichschaltung‹ sich durch Anpassung oder Auflösung der Vereine vollzog.
Unklar ist schon das Verhalten des Verbandsvorsitzenden selbst. SCHÄFER interpretiert
die Haltung Mantzes als innere Emigration bei gleichzeitiger öffentlicher Anpassung im
Notwendigsten.114
114 »Das Eigentümliche ist eigentlich gewesen, daß seine Liebe zum AOB so weit ging, daß
er 1933 und in den folgenden Jahren gesehen hat, daß er mit dem Orchester in eine
unheilvolle Zwickmühle kommen müßte, und dann gab es den Beschluß, daß das
Orchester sich auflöste. Wahrscheinlich war eine ganze Reihe von Juden drin, Dirigenten,
mit denen er befreundet war, emigrierten, und das AOB ist erst nach dem Krieg
wiedergegründet worden, während er Vorsitzender der Fachschaft Volksmusik der
Reichsmusikkammer wurde. Das ist eine Sache, die mir noch unklar ist, und
wenn ich die Zeitschriften der Fachschaft, die in der Zeit herausgegeben worden
sind, ansehe, so fungiert er zum Teil als Hauptschriftleiter. Das heißt, er ist
Vorsitzender dieser Fachschaft gewesen, und ihm war wahrscheinlich, weil er
ausgesprochen konservativ war – er kam aus Ostpreußen und betonte das immer
wieder – dieses doch proletarische Gebaren der Nazis und der Parteimitglieder
höchst zuwider, und doch hat er das mitgemacht. Interessant ist, wenn man
die Zeitschrift durchblättert, daß die ideologischen Artikel alle von anderen
stammten, er hat zunehmend nur Bekanntmachungen der Reichsmusikkammer, die er
weitergeben mußte, aufgrund seiner Funktion veröffentlicht, aber inhaltlich hat er nie
dazu Stellung genommen. Ich würde das durchaus so auffassen, daß es eine Art
provokanter Resignation war, nur das zu tun, was er mitmachen mußte.« (SCHÄFER,
FB 1.)
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Dieser Versuch der politischen Distanzierung kann jedoch nicht
über die vielerorts erfolgte nationalsozialistische Einbindung der
Orchester115
115 SCHÄFER, FB 1: »Was während der 1930er Jahre passiert ist, weiß ich im Grunde
genommen kaum, außer, daß sie mitmarschiert sind. Ich weiß von einigen Orchestern, die
sich angeschlossen hatten, und selbst ein Arbeiterorchester wie in Nürnberg hat
umgeschaltet und ist ein SA- Orchester geworden. Es hat mit demselben Dirigenten
weitergemacht, als sei nichts gewesen. Bei den Blasorchestern hat es dagegen Streit
gegeben, da ihnen die Instrumente beschlagnahmt wurden. Die haben dann noch nach
1950 Prozesse gegen den Bundesfinanzminister geführt, der Treuhänder dieses
ungeklärten Vermögens war.«
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hinwegtäuschen. Bis zum Kriege
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