der Hochschule für Musik, der andere, ERNST PRAETORIUS, als
Kapellmeister der Volksoper. Beide unterstützten die Arbeit der Orchestervereine,
letzterer übernahm neben seiner Kapellmeistertätigkeit auch das Dirigat des
Akademischen Orchesters. Erhoffte Mantze eine engere Anbindung der Laienorchester an
politisch geförderte, fachwissenschaftliche Instanzen, oder ergab sich die Nähe zum
kulturpolitischen Zentrum der Zeit durch Persönlichkeiten wie Schünemann
und durch den Standort der Reichshauptstadt Berlin? Die Errichtung eines
Notenbibliotheksverzeichnisses der Berliner Orchester zwecks Leihverkehr oder ein
günstiger Pauschalvertrag mit der GEMA, der durch die Vermittlung Schünemanns
zustandegekommen war, waren die ersten sichtbaren Erfolge des Dachverbandes in
Berlin.
Mit Hilfe LEO KESTENBERGS107
107 LEO KESTENBERG (1882–1962), Pianist, 1918 Referent für musikalische Angelegenheiten
im preußischen Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung. Er setzte sich für
eine Neugestaltung des musikalischen Unterrichtswesens in Preußen ein. 1933 emigrierte
er nach Prag.
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konnte die 3. Bundestagung vom 13.–15. Juni 1930 in Bad Pyrmont stattfinden. Die
jüngere Forschung zur Geschichte der Musikpädagogik hat erbracht, daß Kestenberg eine
gezielte Hinführung zum Instrumentalspiel und dessen schulpädagogische Verankerung
beabsichtigte. Angesichts der politischen Gegebenheiten und der Übermacht der
Singbewegung konnte er dies aber kaum in die Reformbestrebungen der 1920er Jahre
einbringen. So hat er wohl in diesem Bereich punktuell gefördert, was ihm persönlich möglich
war.108
108 GRUHN 1993, S. 236ff. und 246f. 1925 hatte die sog. Kestenberg-Reform mit den
Richertschen Richtlinien ihren Abschluß gefunden. Es wird sich nicht mehr klären lassen,
inwieweit Mantze über Details der neuen Bestimmungen zum Schulmusikunterricht in
Preußen informiert war. Kannte er Kestenberg, den Leiter der Musikabteilung des
›Zentralinstituts für Erziehung und Unterricht‹, persönlich und wußte er um dessen
Eintreten für eine »allgemeine musikalische Volksbildung«, die über den Schulunterricht
hinausging? (GRUHN 1993, S. 251); »Diese [Kestenbergs autonome Kunstvorstellungen]
kommen erst zum Vorschein, wenn es um den Einbezug der Instrumentalmusik auf allen
Stufen geht und der Bildungswert des kulturellen Erbes angesprochen wird.«
(GRUHN 1993, S. 245); Der Musikunterricht solle als »ein wesentliches Ziel« den
»Aufbau einer neuen Haus- und Gesellschaftsmusik [. . .] im Auge behalten
[. . .] und den Chorvereinen einen gründlich vorbereiteten Nachwuchs sichern.«
(Ministerial-Erlaß vom 6. 4. 1925, in: Schulmusikunterricht in Preußen. Amtliche
Bestimmungen, hg. v. L. KESTENBERG, Leipzig 1927, S. 108f., zit. bei GRUHN 1993, S.
246.)
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Die Bundestagung erfuhr entscheidende Unterstützung des Bad Pyrmonter Kurdirektors,
der die Tagung kulturell vermarkten konnte, dafür Unterkunft und Verpflegung aller
Teilnehmer finanzierte. Er veranlaßte es, daß die Dresdner Philharmonie, aus
deren Mitgliedern sich das Bad Pyrmonter Kurorchester zusammensetzte, ein
›Begrüßungskonzert‹ mit Werken von Brahms und Mahler veranstaltete. Damit wurde
allen Angereisten aber auch klar vor Augen geführt, worin der Abstand und
Unterschied aller Liebhaberorchester zu Berufsorchestern bestand. Dennoch,
erstmals kam es hier zu Vergleichen von Arbeit und Leistungsstand der angereisten
Orchester (ein Schulorchester und ein Ensemble aus Spielern mehrerer Berliner
Orchester) bzw. zu ad-hoc-Orchestern, die aus Teilnehmern verschiedenster
Mitgliedsorchester des RDOV bunt zusammengewürfelt wurden und öffentlich eine
mehrphasige Probenarbeit mit abschließender Aufführung, und extra zu diesem Zweck
entstandener Auftragskompositionen demonstrierten. Als Dirigenten waren zwei
hauptberufliche Kapellmeister gewonnen worden, ebenso agierte mit HANS-JOACHIM
MOSER109
109 HANS-JOACHIM MOSER (1889–1967), Direktor der Staatlichen Akademie für Kirchen-
und Schulmusik Berlin. GRUHN 1993, S. 254 und 258 weist auf MOSERS rasche
Anpassung an die nationalsozialistischen Verhältnisse hin.
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