- 122 -Kayser-Kadereit, Claudia: Das Laiensinfonieorchester im Horizont von Anspruch und Wirklichkeit 
  Erste Seite (i) Vorherige Seite (121)Nächste Seite (123) Letzte Seite (246)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

Die Satzung des BDLO gibt als Vereinsziel die Anerkennung als »volksbildend tätig« zwecks Steuerbefreiung an, und zur Erreichung dieses Vereinszieles sah man einen Noten- und Programmaustausch sowie die gegenseitige Unterstützung bei Veranstaltungen vor, die Förderung der Aufführung zeitgenössischer Musik, einen kontinuierlichen Informationsfluß durch eine Verbandszeitschrift und die Aufklärung der Öffentlichkeit über die Verbandsziele.101
101 SCHÄFER 1999, S. 5f.
Allerdings verschoben sich die Schwerpunkte der Verbandsarbeit in den folgenden Jahrzehnten je nach den persönlichen Interessen und Handlungsspielräumen der Ersten Vorsitzenden. Bereits 1928 gab Menge das Amt des 1. Vorsitzenden wegen »beruflicher Überlastung und Anwachsen der Bundesgeschäfte«, eher aber wohl wegen finanzieller Schwierigkeiten des Vereins,102
102 Es gab Außenstände an Druckkosten für die Zeitschrift und eine schlechte Zahlungsmoral der Mitglieder. (Siehe SCHÄFER 1999, S. 10.)
auf und wurde zum Ehrenvorsitzenden ernannt. Neuer Vorsitzender wurde ein enger Mitarbeiter Menges, der in Berlin praktizierende Zahnarzt Dr. GEORG MANTZE. Mit ihm wählte man einen Vereinsvorsitzenden, dessen Engagement und Organisationstalent sich als enorm erwiesen, der hauptberuflich aber nicht musikbezogen tätig war.103
103 Die Schilderung seiner Einflußnahme durch seinen späteren Nachfolger im BDLO-Vorsitz, WOLFGANG SCHÄFER, trägt neben einer realistischen Einschätzung anekdotische Züge (SCHÄFER, FB 1): »Mantze ist Zahnarzt gewesen, hat aber als Student schon im Akademischen Orchester Berlin (AOB) als Cellist gespielt und war inzwischen der organisatorische Leiter des AOB. Und mit diesem Orchester hat er wohl in Berlin einiges Aufsehen erregt, weil sie gute Leute, gute Dirigenten hatten, und, was immer besonders herausgestellt wird, daß sie in den 1920er-Jahren auch eine Reise nach Schweden unternommen haben, das war wohl so ein Markstein. Mantze selbst war stark musikinteressiert, er habe auch einige Semester Musikwissenschaft studiert, und dadurch, daß er als Zahnarzt prinzipiell keine Zähne ziehen, sondern konservieren wolllte, was er mit ungeheurem Geschick tat, hatte er logischerweise alle Bläser von den Berliner Philharmonikern und anderer Berufsorchester als Patienten. Das sprach sich herum. Von Anfang an hatte er somit Zugang zu den musikalischen Kreisen Berlins. Das gab ihm seine ungeheure Stellung, die er dann auch ausgenutzt hat, bezeichnenderweise für das AOB, das war der Nabel seiner Welt.«
Mantze veranlaßte die Umbenennung der Organisation in ›Reichsbund Deutscher Orchestervereine‹ (RDOV), die Eintragung in das Vereinsregister des Deutschen Reiches und die regionale Einteilung in ›5 Gaue‹.104
104 Es wäre historisch unkorrekt, diese Termini, die unter der NSDAP wenige Jahre später gezielte Verwendung fanden, bereits politisch beladen zu wollen. Die 5 Gaue des RDOV waren gegliedert in : I Nord, II Mitte und Ost, III Süd, IV Südwest, V West.
Die Verlegung der Geschäftsstelle nach Berlin wurde zum 1. 1. 1929 beschlossen und war in dem Wechsel der Vorstandsschaft begründet, da Mantze in Berlin tätig war. Doch es gab auch kritische Stimmen aus verschiedenen Orchestern, die stärkste Kulmination von Laienorchestern befände sich in Süd- und Mitteldeutschland, so daß Berlin für intensive Kontakte zur Geschäftsstelle zu abgelegen sei.105
105 MANTZE 1965, S. 39.
Andererseits gab es über das Akademische Orchester Berlin direkte Verbindungen in die fachwissenschaftliche und kulturpolitische Szene der Reichshauptstadt. Zwei ehemalige Mitglieder des Akademischen Orchesters waren inzwischen in der professionellen Musikszene etabliert, der eine, GEORG SCHÜNEMANN,106
106 SCHÜNEMANN (1884–1945) war etwa gleichaltrig mit MANTZE (1888–1983), sie kannten sich sicher bereits aus der Studienzeit. SCHÜNEMANN hat eine Arbeit Zur Geschichte des Dirigierens veröffentlicht und sich mit Fragen der Musikerziehung befaßt (Musikerziehung I. Teil, Die Musik in Kindheit und Jugend, Schule und Volk, Leipzig 1930.)
als Professor

Erste Seite (i) Vorherige Seite (121)Nächste Seite (123) Letzte Seite (246)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 122 -Kayser-Kadereit, Claudia: Das Laiensinfonieorchester im Horizont von Anspruch und Wirklichkeit