- 120 -Kayser-Kadereit, Claudia: Das Laiensinfonieorchester im Horizont von Anspruch und Wirklichkeit 
  Erste Seite (i) Vorherige Seite (119)Nächste Seite (121) Letzte Seite (246)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

dieser über den Unterricht hinausgehenden Schulgemeinschaft kam der Musik ein besonderer Stellenwert zu. Er hielt die Orchestermusik des Früh- und Hochbarock unter dieser Prämisse für geeigneter und für spieltechnisch einfacher als die Werke der Klassik. Er gab entsprechendes Material in der Sammlung ›Spielmusiken für kleines Streichorchester‹ heraus. Der Erfolg brachte ihm einige Jahre später auch Jödes Anerkennung ein.88
88 JÖDE (Nachwort zur Instrumentalsammlung ›Der Spielmann‹, Wolfenbüttel 1933) in REINFANDT, S. 228.
Darüberhinaus wünschte Höckner mehr zeitgenössische Kompositionen für Laienniveau. Er konnte PAUL HINDEMITH dafür gewinnen, einige Werke unter diesem Aspekt für sein Schulorchester zu schreiben, von deren Aufführung der Komponist angenehm überrascht berichtete:

»Gestern habe ich in Bieberstein die ›nach Maß‹ angefertigte Orchestermusik [op. 43, 1] gehört. Sie macht sich gut, die Buben haben sie ganz ohne Dirigenten absolut sicher und mit viel Freude gespielt – ein Zeichen, daß die neue Musik immerhin zu begreifen ist.«89

89 Brief Hindemiths an den Schott-Verlag vom 7.3.1927, zit. in SCHUBERT, S. 67.

Vorausgegangen war eine Einladung Jödes an Hindemith, eine Veranstaltung zur Fortbildung und ideologischen Ausrichtung der Musikantengilde zu besuchen.90

90 Die 1. Reichsführerwoche der Musikantengilde in Brieselang bei Berlin vom 3.-10. Okt. 1926.
Hindemith glaubte in dieser Organisation ein potentielles Bildungsbedürfnis und die Chance zu erkennen, Interesse für neue Musik zu wecken91
91 »Ich denke mir, daß Sie bald mit ganz bestimmten Aufforderungen von für Sie geeigneter Musik an verschiedene Komponisten herantreten müßten.« (Brief Hindemiths an JÖDE vom 12.10.1926, zit. bei SCHUBERT, S. 67.)
und komponierte mehrere Werke zu diesem Zweck.92
92 Er begann mit ›Spielmusik für Streichorchester, Flöten und Oboen‹ op. 43,1 (1927) und ließ folgen: ›Schulwerk für Instrumental-Zusammenspiel‹ op. 44, 1–5 (1927, aufbauend von 2 chorischen Violinen bis zum 5-stimmigen Streichorchester); ›Tuttifäntchen‹, (1922, später bearbeitet zu: ›Suite für kleines Orchester‹); ›Sing- und Spielmusik für Liebhaber und Musikfreunde‹ op. 45, 1–5 (1928/29, vokal - instrumental gemischt); ›Plöner Musiktag‹ A-D (1932, vokal und instrumental gemischt, Auftragswerk.)
Allen diesen Werken hat Hindemith einen klaren Übungscharakter und Anpassungsmöglichkeiten an die Ausführbarkeit zugrunde gelegt. Instrumentation und Tonsatz sind variabel gehalten, so daß jeder Aufführung erst eine spezielle Einrichtung des Materials vorausgehen mußte. Diese Kompositionen waren nicht für die offizielle Konzertszene gedacht.93
93 Im Vorwort zum ›Plöner Musiktag‹ wollte Hindemith Mißverständnisse von vorneherein ausschließen, wobei eine fast feindselige Position gegenüber dem kommerziellen und professionellen Konzertbetrieb durchschimmert: »Dem Zweck entsprechend, die musikliebende Jugend zu belehren und zu unterhalten [. . .] glaube ich deshalb, in der Auswahl der Mittel reichlich vorsichtig gewesen zu sein [. . .] Wenn auch bei Aufführungen von Musikstücken dieser Art nach möglichster Vollkommenheit getrachtet werden soll, so ist doch im Aufbau und im Satz der Stücke auf eine gewisse Unbeholfenheit der Spieler Rücksicht genommen, die der Leiter des Studiums nicht unterdrücken sollte. Es hätte gar keinen Sinn, Stücke dieser Art mit der glatten Brillianz eines hochgezüchteten Berufsorchesters vorzuführen, wie es ebenso falsch wäre, sie in einem großstädtischen Konzertsaal einem neugierigen Publikum darzubieten.« (HINDEMITH, Vorwort zu ›Plöner Musiktag – Tafelmusik/Partitur‹, Edition Schott Nr. 1623; Vgl. auch sein Vorwort zu ›Frau Musica‹ op. 45,1, zit. bei SCHUBERT, S. 69.)
Hindemiths Laienmusik war in der Jugendmusikbewegung jedoch umstritten. Sie galt zwar als Schulwerk, wurde aber aufgrund ihrer weiterführenden Zielsetzung als zu anspruchsvoll abgelehnt, 94
94 »um [. . .] von Stufe zu Stufe bis zu jenen überfeinerten höchst differenzierten Kunstwerken hinzuführen«. So formuliert ein Vertreter der Musikantengilde, zit. bei SCHUBERT, S. 68.
dafür

Erste Seite (i) Vorherige Seite (119)Nächste Seite (121) Letzte Seite (246)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 120 -Kayser-Kadereit, Claudia: Das Laiensinfonieorchester im Horizont von Anspruch und Wirklichkeit