- 119 -Kayser-Kadereit, Claudia: Das Laiensinfonieorchester im Horizont von Anspruch und Wirklichkeit 
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dieses finanziellen Problems gezielt als Weg zur Kostenersparnis bei Konzertaufführungen einzusetzen. Volksbildung hatte demnach per se einen pekuniären Gegenwert.

3. Verbesserung des Verhältnisses zu Berufsmusikern und der Fachpresse:

»Hier müßte durch beiderseitiges Übereinkommen [insbesondere mit dem Deutschen Musikerverband]84

84 Vorläuferorganisation der heutigen Deutschen Orchestervereinigung e.V.; Berufsverband der Orchestermusiker.
eine Form gefunden werden, die einerseits den berechtigten Ansprüchen des Berufsmusikers genügt, andererseits aber auch den Orchestervereinen, die auf Aushilfe durch Berufsmusiker angewiesen sind, nicht die Lebensmöglichkeit unterbindet. Es ist selbstverständlich, daß entsprechende Leistungen auch entsprechend bezahlt werden müssen, aber wenn z.B. der Tarif in einer mittleren Stadt für die Mitwirkung bei einer durchgehenden zweieinhalbstündigen Filmoperette 30 Mk., für die Mitwirkung in einem Konzert mit einer geläufigen Symphonie und Ouvertüre aber 80 Mk. vorschreibt, so ist das gewiß ein Mißverhältnis«.

»Auch der musikalischen Kritik der Tages- wie der Fachpresse kann man den Vorwurf nicht ersparen, daß sie dem künstlerischen Wirken der Orchestervereine nicht die wünschenswerte Beachtung und Förderung gewährt, ja sogar glaubt, an ihre Leistungen von vorneherein einen stark gemilderten Maßstab anlegen zu müssen. In der musikalischen Fachpresse im besonderen findet man kaum jemals eine Besprechung oder Erwähnung der Orchestervereine und ihrer Veranstaltungen.«85

85 MENGE, S. 213.

Menge kritisierte mit diesen Äußerungen das Konkurrenzdenken seitens der Berufsorchester, die um ihr Image und ihre Berufsstandsinteressen fürchteten, und der ihnen verpflichteten Presse. Geschickt versuchte die Redaktion der ›Neuen Musik-Zeitung‹ mit einer ›Anmerkung der Schriftleitung‹ ihre Zustimmung zu Menges Kritik mit dem Vorbehalt einer eindeutigen Trennung der Aufgaben von Berufs- und Laienorchestern zu verbinden.86

86 »Die Vereinigungen haben schon manchen tüchtigen Zuwachs aus aufgelösten Militärkapellen erhalten. Wer weiß, wie bald sie äußerst wertvolle Unterstützung durch Orchestermusiker von Beruf aus aufgelösten Theaterorchestern erhalten«. (Redaktion Neue Musik-Zeitung 1922, Heft 14, S. 213). Die wirtschaftliche Instabilität vieler Kulturbereiche bewirkt in der Weimarer Republik Anfang der Zwanziger Jahre vielfach Existenzängste.

Weniger die musikalischen Ausprägungen in der Jugendbewegung (F. JÖDE), als vielmehr die vom persönlichen Engagement eines Musikpädagogen geförderten ›musikalischen Arbeitsgemeinschaften‹ (H. HÖCKNER), der vom Gedankengut der Reformpädagogik der 1920er Jahre beeinflußt war, haben einen punktuellen Einfluß auf das Repertoire der Laienorchester gewonnen. Höckner war von AUGUST HALM (1869–1929) beeinflußt worden, der an der Freien Schulgemeinde Wickersdorf ein außergewöhnlich reges Chor- und Orchesterleben aufgebaut hatte, welches er mit ›Konzertreden‹ begleitete. Halm verfolgte als Erziehungsziel das »gründliche Erkennen künstlerischer Werte«, wobei er allein die musikalische Struktur unter Ablehnung jeder bildlichen Deutung erkennbar werden lassen wollte.87

87 AUGUST HALM, Von zwei Kulturen der Musik, München 1920, S. XXX, zit. bei GRUHN 1993, S. 185.
Höckner gab der Laienorchesterszene neue Anstöße, indem er als Musiklehrer des Landerziehungsheimes Schloß Bieberstein besonders das Schulorchesterleben wesentlich bereicherte. In

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