- 118 -Kayser-Kadereit, Claudia: Das Laiensinfonieorchester im Horizont von Anspruch und Wirklichkeit 
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musikalischen Volksbildung. Unter dieses Primat fielen selbstverständlich alle Laienmusikgruppen, die aber einen sehr unterschiedlichen Bildungsanspruch in bezug auf das Gedankengut der musikalischen Volksbildung entwickelten. Vielmehr benutzte Menge die Begriffe ›praktische Musikpflege‹ und ›musikalische Volksbildungsbestrebungen‹ als ein zeitgemäßes Mittel zu anderen Zwecken. In seinem Aufruf verweist er vorrangig auf Vorteile eines Interessenverbandes, die den Laienorchestervereinen vornehmlich in drei Bereichen zugute kämen:

1. Entscheidungshilfen in künstlerischen Fragen durch Programmaustausch und Beratung bezüglich zeitgenössischer Literatur:

»[...] die Klassiker Haydn, Mozart, der frühe Beethoven usw. bilden das Rückgrat der Programme [...] dies darf doch nicht zum nahezu gänzlichen Ausschluß aller modernen, namentlich zeitgenössischen Musik führen [...] Gerade die Bekanntschaft mit dem modernen Schaffen, mit der musikalischen Sprache unserer neuzeitlichen Tonsetzer müßte künftig eine der Hauptaufgaben der Orchestervereine sein. Diese wohl von allen Orchestervereinen an sich anerkannte Notwendigkeit würde erleichtert durch einen Programmaustausch und eventuell durch eine Zentralstelle, welche die Neuigkeiten auf ihre Verwendbarkeit in unseren Vereinen hin prüft.«82

82 MENGE, S. 213.

Menge stellte die These auf, alle Orchestervereine lebten mit der ›anerkannten Notwendigkeit‹ der Erarbeitung zeitgenössischer Werke. Jedoch wird dieser angebliche Bildungsnotstand im folgenden nicht etwa mit Argumenten der allgemeinen Volksbildung unterstrichen, sondern Menges Ziel ist eine prüfende Instanz für Neue Musik. Da das entsprechende Material zuerst einem Verlag zugänglich ist, bleibt die Frage offen, ob Menge gerne dem Schott-Verlag eine Kontroll- und Steuerungsfunktion der Laienorchesterarbeit übertragen wollte.

2. Finanzielle Entlastung durch angestrebte Steuererleichterungen mittels Anerkennung als »volksbildende« Gruppierungen und Kostenteilung bzw. Kostenabsprachen:

»Die Kosten für Solisten, Säle, Reklame, Notenmaterial usw. sind enorm gestiegen. Dazu kommt die Lustbarkeits- oder ›Vergnügungs‹-Steuer, die vielfach von den unteren Behörden, die man nicht als sachverständig betrachten kann, in einer geradezu erdrosselnden Form gehandhabt wird. Es sind Fälle vorgekommen, in denen eine Steuer von 50 % für eine künstlerische Veranstaltung erhoben wurde. Hier kann nur die Aufklärung und Einwirkung bei den oberen und obersten Behörden Abhilfe schaffen. Insbesondere muß angestrebt werden, daß grundsätzlich auch die Orchestervereine, soweit sie künstlerisch ernste Konzerte veranstalten, als volksbildend angesehen und demgemäß zur geringsten Steuer herangezogen werden.«83

83 MENGE, S. 213.

Diese Ausführungen Menges offenbaren zwei zentrale Überlegungen eines Vereinsvorsitzenden: Zum einen hatte sich ein eklatantes Mißverhältnis zwischen dem Buchstaben des (Steuer-) Gesetzes und dem finanziellen Bewegungsspielraum der Orchestervereine entwickelt, das den Orchesteraktivitäten finanzielle Grenzen setzte. Zum anderen wurde versucht, den volksbildenden Aspekt der Orchesterarbeit angesichts


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