- 106 -Kayser-Kadereit, Claudia: Das Laiensinfonieorchester im Horizont von Anspruch und Wirklichkeit 
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der Praxis. Ob der empfohlene Beitrag zur Unterstützung von Nachwuchssolisten, die ihrerseits später den professionellen Kulturbetrieb tragen sollen, die treibende Antriebskraft darstellt, oder ob ein Laienorchester sich mit der Rolle des Begleiters ›ihrer Stars‹ psychologisch besser identifizieren kann, läßt sich an dieser Stelle nicht klären. Auch das offenbar größere Publikumsinteresse an Solokonzerten als an reiner sinfonischen Literatur wäre hierbei einzubeziehen.

Werke mit kleiner Bläserbesetzung stagnieren in ihrer Beliebtheit im Gegensatz zum sprunghaften Anstieg reiner Streicherwerke und sinfonisch besetzter Kompositionen. Dabei sind besonders Werke der Frühklassik im DLO wiederholt als geeignet empfohlen worden. Punktuell (J. Chr. Bach) ist eine Reaktion auf diese Anregungen erkennbar,50

50 Vgl. Kap. 4.1.2.
doch die Praxis zeigt, daß angesichts der verbesserten Möglichkeiten, sinfonische Literatur zu spielen und eines sich wandelnden Repertoires für Streichorchester die Präferenzen nicht mehr bei der vorklassischen Literatur liegen. Das Repertoire für Streichorchester hat in den letzten vier Jahrzehnten seinen Schwerpunkt deutlich von Werken des Barock und der Klassik auf die der Romantik und der Moderne verlegt. Neue Musik findet in diesem Genre den intensivsten Eingang in die Laienorchesterarbeit.

Neue Aufgabenfelder hat sich das Laienorchester im Bereich der orchesterbegleiteten Vokal- und Bühnenwerke erschlossen. Die Kooperation mit Chören ist vom BDLO immer wieder angeregt worden. Hier ist eine Intensivierung besonders beim Oratorium zu beobachten. Das Ziel früherer Laienorchester, das mit den Interessen der (Laien-)Oratorienchöre des 19. Jahrhunderts gekoppelt war, nämlich Haydns ›Schöpfung‹ aufzuführen, ist mittlerweile für viele Orchester besetzungs- und spieltechnisch keine Utopie mehr. Ein erkennbares Bemühen um Musical- und Filmmusik wird besonders in den 1990er Jahren deutlich, wobei Hörgewohnheiten und Medienangebot die Innovationsbestrebungen steuern. Im DLO sind bisher zwei Repertoireanalysen von bescheidenerem Umfang dargelegt worden. Es lohnt, deren Ergebnisse mit den vorliegenden zu vergleichen: WILLI WÖHLERS Einschätzungen des Laienorchesterrepertoires gründet sich auf die Auswertung von 150 Programmen aus eineinhalb Jahren (1960–1961). Ein so grundsätzlicher Wandel, wie er ihn sieht, läßt sich bei Betrachtung eines längeren Zeitraumes jedoch nicht erkennen: »Wer die Programme der Konzerte unserer Bundesorchester über einen längeren Zeitraum verfolgt, wird feststellen können, daß sich auf diesem Gebiet ein Wandel vollzogen hat oder sich zu vollziehen im Begriffe ist. Ein Vergleich früherer Vortragsfolgen mit solchen aus den letzten Jahren zeigt nämlich, daß diejenige Literatur, die in diesen Blättern einmal als gleichsam ›art- oder wesenseigen‹ für Musiziergemeinschaften von Laien bezeichnet wurde, in der Programmgestaltung immer mehr berücksichtigt wird, und daß die Zeiten, da fast jedes Liebhaberorchester meinte, mit Berufsorchestern wenigstens durch die Wahl der gängigsten Standardwerke konkurrieren zu können oder zu müssen, allmählich der Vergangenheit angehören.«51

51 WÖHLER, in DLO 1961, Heft 3, S. 33.
Mit »art- und wesenseigener« Literatur meint WÖHLER Werke des Barock, der Frühklassik und die »Vielfalt zeitgenössischer Werke«.52
52 WÖHLER, in DLO 1961, Heft 3, S. 33f.
Der Zeitraum von 18 Monaten ist sicher auch zu eng gefaßt gewesen, um generelle Veränderungen wahrnehmen zu können.

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