- 51 -Kautny, Oliver (Hrsg.): Arvo Pärt - Rezeption und Wirkung seiner Musik 
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unterschiedlichen Zuordnungen eröffnen, die Pärt in Publizistik und Wissenschaft - und auch in der praktischen Musikpädagogik - erfahren hat. Dabei verfahren manche Autoren radikal: Karl Ferdinand Zech etwa konstatiert bei Pärt - mit Recht - Merkmale des Minimalismus; nicht dies ist fragwürdig, sondern daß er mit diesem Befund Pärt nicht nur als Minimalisten charakterisiert, sondern daß er darüber hinaus damit "die Möglichkeit einer stilistischen Zuordnung zur Postmoderne" begründet. Den Rundschlag vollendet er, indem er dies als Zeichen für eine ënge Verbundenheit mit dem kompositorischen Schaffen von Alfred Schnittke" auswertet. (Zech 1998, 235)

Der Gedankengang ist mühelos zu rekonstruieren und dokumentiert die Assimilation von Wirklichkeit an einen - freilich unklaren - Begriff unter Verlust von Realität: Mag auch Pärt wie Schnittke Collagen komponiert haben, so dürfte doch dies die einzige Gemeinsamkeit sein. Sie ist noch nicht einmal eine stilistische, und sie legitimiert ebensowenig die Zuordnung zur Postmoderne wie die Tatsache, daß minimalistische Momente die Werke des Tintinnabuli-Stils kennzeichnen - aber eben auch nur diesen und gerade nicht die Collagen. Andere Autoren sind vorsichtiger. Festzustellen ist jedoch eine bunte Vielfalt von Einschätzungen. So werden neben dem erwähnten Minimalismus neue Einfachheit (vgl. Herbort 1985), aber auch meditative Musik (vgl. Danuser 1990, 23 f.) konstatiert, werden in der mechanischen Regelhaftigkeit mancher späterer Werke Merkmale des Serialismus erkannt, werden zugleich im Bruch mit Traditionen der Expressivität und der Subjektivität, im Verschwinden des Subjekts in Pärt'scher Musik Tendenzen der Avantgarde, aber in seinem Bestreben, Wirklichkeit zu transformieren und so einen Fortschritt im (nicht nur musikalischen) Denken zu bewirken, auch Spuren der Moderne entdeckt - im Gegensatz zu der Annahme, die Vielfalt der Indizien unterschiedlicher Orientierungen weise ihn als postmodernen Komponisten aus (zum Postmoderne-Problem vgl. de la Motte-Haber 1989, bes. 57).

Kategoriale Bestimmungen wie die genannten gehören wesentlich zu dem, was die Tatsächlichkeit einer Musik in historisch-gesellschaftlich gewachsener Hinsicht ausmacht. Werden sie in generalisierender Absicht oder Funktion verwendet, sind sie Indizien für eine Assimilation, die in dem Maße als unangemessen erscheinen muß, wie Befunde des Werks sich ihr widersetzen.

Allerdings lesen sich diese Interpretations- und Zuordnungsversuche in ihrer Verschiedenheit, als sei eine der zentralen Thesen Pärts zur Funktion des Werks im Rezeptionszusammenhang umstandslos in die Tat umgesetzt worden:

Ëin Kunstwerk ist ein Symbol, und jeder Hörer hat das Recht, diese symbolische Fläche entsprechend dem vollzuschreiben, wer er selber ist, welche Probleme er gerade hat." (Pärt in Wallrabenstein 1991, 32)
Zu bedenken ist dabei jedoch, daß Flächen nur soweit beschrieben werden können, wie sie noch nicht mit Inhalten besetzt sind. Anderenfalls entsteht bestenfalls ein Palimpsest, bietet doch die eigene Inschrift des Werks der Vereinnahmung durch den Hörer jenen Widerstand, der eine Collage wie die über B-A-C-H unbrauchbar für Meditationen oder ein Werk wie Summa ungeeignet zum usuellen Tanzen und das Credo von 1968 unzugänglich für den Begriff Minimalismus werden läßt.

Indessen macht eine andere Äußerung Pärts darauf aufmerksam, daß seine musikalische Produktion durchaus auf die Wechselwirkung zwischen der Rezeptionsweise,


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