- 37 -Kautny, Oliver (Hrsg.): Arvo Pärt - Rezeption und Wirkung seiner Musik 
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zu der erschaffenen Zeit steht und damit in einer Unvollständigkeit zur ëwigen Weisheit". Die beiden Grammatiken (strukturale und die der Erfahrung) bestimmen das Sprechen, sind aber keine unwandelbaren Größen. Gerade ihre Unschärfe ermöglicht die Vielfalt des Sprechens. Die Unschärfe erlaubt es dem Menschen auch nicht, ontologische Rückschlüsse zu ziehen. Die "Wahrheit" bleibt verborgen. Für Augustinus ist es wichtig, daß Gott innen zu uns spricht. Aber auch die Dinge, die sich verändern, der geschaffenen Welt, sind im Innern zu hören (vgl. Corradini 1997, 52ff.). Es wird nun zu zeigen sein, daß Augustinus Wert legt auf die personale Zeit, daß damit der Schwerpunkt liegt auf der Gegenwart als Ordnungsparadigma der Erzählung. Nur in der Sprache aktualisiertes Vergangenes und Zukünftiges ist existent. Das Sprechen ist allein der Vollzugsort von Zeit. Es ist gerade das Bekennen, das Reden mit Gott, der ja gerade als Grenze menschlicher Sprache gedacht wird, in dem sich die Zeitlichkeit menschlichen Wissens und menschlicher Erkenntnis zeigt.

Was ist es nun, das Arvo Pärt und die Zeittheorie Augustinus' verbindet? Daß sie christentum-gebunden ist. Daß die Zeit durch die Seele geht. Daß die Ewigkeit eine Rolle spielt. Daß wir durch Stille Gott nahe sein können. Daß Pärt die Gregorianik in vielen Jahren der Schaffenspause als die Musik für sich entdeckt hat (dies wird an Hand seiner Musik erklärt). Daß wir durch viele Äußerungen von ihm das Bild eines meditierenden Menschen haben. Arvo Pärt: "Die Inspiration (durch das Göttliche) muß man in Situationen suchen, da der Mensch seine Abhängigkeit von seinem Schöpfer spürt."

Öhne Gottesfurcht gibt es keine Musik - und auch kein wirkliches schöpferisches Tätigsein. Die Notwendigkeit, Neues zu finden. Die Suche nach dem Neuen durch die Leere. Werde ein Nichts (vor allem anderen)! Doch jene Seite des Nichts ist Etwas. Zu diesem Etwas gilt es die Verbindung herzustellen. Vorher aber muß man sich läutern. Tintinnabuli - das ist der erstaunliche Moment - die Flucht in die freiwillige Armut: Die heiligen Männer ließen all ihren Reichtum zurück und gingen in die Wüste. So möchte auch der Komponist das ganze Arsenal zurücklassen und sich durch die nackte Einstimmigkeit retten, bei sich nur das Notwendige führend - einzig und allein den Dreiklang."(Pärt zit. n. Danuser 1990)

3  Analyse von Werken Arvo Pärts

3.1  Für Alina (1976)

Für Alina für Klavier solo ist aus dem Jahre 1976 - eines der ersten Stücke im Tintinnabuli-Stil. Das Stück ist ungefähr der Notre-Dame-Schule (Perotin) nachempfunden. Es steht in h-moll, ist nach Takten gegliedert und umfaßt im Additionsprinzip pro Takt immer eine Note mehr. Die Glieder bündeln sich nach Höhepunktsphasen. Der Höhepunkt ist im 8. Takt erreicht. Dieser Takt bildet rhythmisch eine Art Symmetrieachse (bis zum vorletzten Takt; der letzte bricht aus dem algorithmischen Gefüge aus), weil von ihm aus die Rhythmen wieder entgegenlaufen (2,3,4,5,6,7,8,7,6,5,4,3,2,(3)). Jedes Glied ist in sich abgeschlossen und bildet mit dem Liegeton h einen Dreiklang, meist auf h-moll basierend. Hier sind die Materialien so stark reduziert, daß man jedem Ton nachhorchen muß, um dem Stück etwas abzugewinnen. Nimmt man die Überschrift Ruhig, erhaben, in sich hineinhorchend

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