- 35 -Kautny, Oliver (Hrsg.): Arvo Pärt - Rezeption und Wirkung seiner Musik 
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Zu solchem "Sterben" gehört auch das Schweigen, in dem der Mensch sich bereitet, Gottes Wort zu empfangen, die Neugeburt an sich geschehen zu lassen. Wir wissen heute neu darum, wie wichtig solches Schweigen ist. In ihm sollen wir bereit werden, mitten im Jahrmarkt der Zeit, in dem Stimmengewirr, das uns umgibt, der einen Stimme zu lauschen, die Glauben wirkt und ewiges Leben schenkt. Nur wenn nichts mehr spricht, das uns ablenkt, ist die Stimme vernehmbar. Ïn der Nacht, wenn keine Kreatur (mehr) in die Seele leuchtet noch lugt und im Stillschweigen, wo nichts mehr in die Seele spricht, da wird das Wort (ein-)gesprochen in die Vernunft", so drückt das Meister Eckhart aus. Es gilt auch für uns (vgl. Böhme 1980, 108).

Hier ist das ausgesprochen, was Augustinus meint. Mit der Neugeburt ist das Sterben gemeint, das Abtun aller unwichtigen Dinge, die uns den Weg zu Gott verbauen. Auch das Schweigen gehört dazu, das Stillschweigen, um hier auf Erden schon Gott nahe zu sein. "Seid stille und erkennet, daß ich Gott bin."(Psalm 46, 11) "Seid stille dem Herrn und wartet auf ihn."(Psalm 37,7) "Meine Seele ist stille zu Gott."(Psalm 62,1) Die Darstellung der Stille in der Eliah-Tradition: 1. Könige 19, 13 Gottes Erscheinen ïn stillem, sanftem Säuseln" oder anders übersetzt ßanftem Lufthauch."

2.4  Messung der Zeit

Wie wird die Zeit gemessen? Augustinus hat erkannt, daß wir längere Zeit durch kürzere messen. Daher kommt er zu dem Schluß: Ällein auch so ist kein festes Maß für die Zeit zu gewinnen, da ja ein kürzerer Vers, gedehnter ausgesprochen, mehr Zeit erfordern kann als ein längerer, der rasch gesprochen wird. Drum wollte es mich dünken, Zeit sei Ausdehnung und nichts anderes: aber wessen Ausdehnung weiß ich nicht. Es sollte mich wundernehmen, wäre es nicht der Geist selbst." Die Zeit bewegt sich in der Seele und ist eine Ausdehnung der Seele.
Ëntdecken wir etwas an der Zeit, was in keine, aber auch nicht in die geringsten Augenblicksteile geteilt werden kann, dann ist dies das einzige, was gegenwärtig heißen sollte. Aber das fliegt so rasch in die Vergangenheit hinüber, daß es sich zu keiner Dauer dehnt. Dehnt es sich, zerfällt es in Vergangenes und Zukünftiges; das Gegenwärtige aber hat keine Ausdehnung." (Confessiones 20, 316)
Hermann geht davon aus, daß die Zeitmessung nicht das Wichtige ist, sondern die Frage nach dem Wesen der Zeit. Wie muß man sich eine Zeitdehnung denken? Denn: "Die Suche nach dem Wie der Gedehntheit der vorübergehenden Zeit ist die Suche nach dem Wesen der Zeit. Ich bin es selbst, der die Zeit dehnt, das Sich-Erstrecken des Geistes, die distentio animi."(Hermann 1992, 385f.) Schon in der Wahrnehmung, nicht erst in der Wiedererinnerung und der Erwartung, erstrecke ich den Zukunfts- und Erwartungshorizont.

Hier muß noch ein wichtiger Begriff des Augustinus? geklärt werden, die distentio animi, sie erklärt das Wo der Zeit. Es stellt sich die Frage, woher, wohin und wohindurch die Zeitspanne sich bewegt. In den Confessiones XI, 21, 29 steht: Ällein, wenn man sie mißt, von woher und wo hindurch und wohin verläuft die Zeit? Von woher sonst als aus der Zukunft? Wo hindurch sonst als durch die Gegenwart?


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