- 27 -Kautny, Oliver (Hrsg.): Arvo Pärt - Rezeption und Wirkung seiner Musik 
  Erste Seite (1) Vorherige Seite (26)Nächste Seite (28) Letzte Seite (76)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

"Das natürliche Gefühl für Wohlklang wie für Gleichheit, Harmonie und Reinheit wird mit dem Titel Glöckchen (Tintinnabuli) unterstrichen. Die Schönheit des Naturklanges der Glöckchen ist im Verständnis des Komponisten assoziiert mit Wohlklang, konkreter: dem Dreiklang. 8. September 1975: Jede Phrase atmet selbständig. Ihr innerer Schmerz und die Aufhebung dieses Schmerzes sind untrennbar verbunden und bilden einen Atem. 8. Januar 1976: Das Wesen besteht darin, daß man zur kleinsten Zahl gelangt. 29. Februar 1976: Die Form soll die Empfindung der Endlosigkeit erzeugen. Wiederholungen vermeiden. Jedes Glied soll einen selbständigen Atem bewahren. Alle Glieder gleichmäßig lieben. Das ist dann Musik. 8. März 1976: Musikalisches Denken, in unablässiger Arbeit entwickelt, schlägt um in eine Form der Existenz, die in Tonhöhenbeziehungen ausgedrückt wird. 2. April 1976: Schwierig, von einer Note zur anderen überzugehen. Der Geiz steht davor. 3. April 1976: Man soll sich nicht übereilen. Man muß jeden Schritt von einem Punkt zum anderen auf dem Notenpapier erwägen. Es ist nötig, daß dieser Schritt erst erfolgt, nachdem du alle möglichen Noten auf ihre Reinheit geprüft hast. Dann wird der Ton, der alle Versuche überdauert hat, wahrhaftig sein. 23. Mai 1976: Wertvoll ist nur das, was du mit Kräften erreichst, die du selbst beherrschst, ohne Doping. 5. Juni 1976: Wenn du während der Arbeit die Aufmerksamkeit vom Kopf aufs Herz lenkst, entsteht ein neues Richtungsziel, das sich auf eine andere Logik gründet. Das gelingt nur für Augenblicke. Eine ungewohnte Erscheinung. Eine unablässige Melodie. Die Hand schreibt schnell, wie im Dunkeln, unter Umgehung der Logik. Es ist schwer, aufzuhören. Die Logik entschlüpft der Form. Manchmal kannst du nicht einmal zuhören - so schnell mußt du es aufschreiben. Man muß sich beeilen, um die verborgene Quelle fehlerlos auszuschöpfen, so daß sich das Auge nicht einmischen und seine Verbesserungen anbringen kann. 16. Juni 1976: Qualität hängt ab von Ehrlichkeit und Demut. Um nichts anderes sollst du dich kümmern. Das ist auch wirklicher Mut. 8. Juli 1976: Auf die Dynamik des Sprunges achten. In einem Melodiesprung muß man einen starken Flügelschlag spüren. Aufschwung, Gleitflug, Schlagseite. Der Möwe folgen. Das Problem Kraft in der Melodie. Wie äußert sich Energie in der Musik verschiedener Stile. 27. August 1976: Was ist ein Ton wert, ein Wort? Das ist ein zahlenloser Fluß, der an unserem Ohr vorbeifließt, unseren Wahrnehmungsapparat affiziert. Sorgfältig auf jeden Ton, jede Bewegung achten."(Pärt 1977)

In anderen Aufzeichnungen des Komponisten von 1973 bis 1978 heißt es: "Meine Collagen - ein Versuch, eine Blume aus ihrer gewohnten in eine fremde Umgebung zu versetzen (Problem der Vereinbarkeit der Gewebe: überlebt sie, ist er gelungen), aber trotzdem wünschte ich, es wäre keine Verpflanzung, sondern daß es zusammen wächst als wäre es eine Pflanze. In der 3. Sinfonie ist ein Schmerz niedergelegt, von dem ich mich aufs neue zu befreien versuchte [...]. Das ganze Leben war ich der Möglichkeit beraubt, in meiner Musik zu singen. Aber ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, diese Kunst zu beherrschen [...]. In der Sinfonie habe ich scheinbar den Begriff der Form ignoriert, aber in Wirklichkeit ist das nicht ganz so. Ohne Konstruktion gibt es keine Musik. Jene Ziffer, die als Musik existiert und erscheint, kann unmöglich nichtexistent sein."

(Zur philosophischen Konzeption der Kantate Lied an die Geliebte nach Versen von Rustaweli):"[...] Liebe bedeutet Talent, Durchblick, die einzig mögliche


Erste Seite (1) Vorherige Seite (26)Nächste Seite (28) Letzte Seite (76)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 27 -Kautny, Oliver (Hrsg.): Arvo Pärt - Rezeption und Wirkung seiner Musik