- 26 -Kautny, Oliver (Hrsg.): Arvo Pärt - Rezeption und Wirkung seiner Musik 
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verweigerte - immerhin waren und blieben sie ordentliche Mitglieder des Komponistenverbandes, die weiterhin in seinen Erholungsheimen komponieren oder ihre Manuskripte vervielfältigen lassen konnten, wo sie die westlichen Verlagspartner der sowjetischen Autorenagentur VAAP nach Kräften publizierten und für diese neuentdeckte sowjetische Avantgarde die Werbetrommel rührten - während eben dieser im Westen hochgeschätze Begriff Avantgarde in der Sowjetunion selbst weiterhin ein Schimpfwort war - eine absurde Situation! Auf diese Weise hatte auch für das WDR-Festival Begegnungen mit der Sowjetunion kein einziges Notenmanuskript einen rechtlich irgendwie zweifelhaften Weg nach Köln genommen - alles war über den zuständigen Verlag offiziell angefordert und von der VAAP ausgeliefert oder, was Werke der 20er Jahre betraf, nach damals veröffentlichten Noten aus hiesigen Bibliotheken aufgeführt worden. Dies hinderte nicht, daß auf dem Plenum des Komponistenverbandes im Herbst 1979 Tichon Chrennikow gegen dieses Festival wetterte und die dort aufgeführten Komponisten namentlich angriff (vgl. Chrennikow 1979b, 8 und 1979a), die dies, obwohl sie nichts dafür konnten, daß ihre Werke ausgewählt worden waren, bald in einer Verschlimmerung ihrer beruflichen Situation zu spüren bekamen. In dieser Situation entschloß sich neben Viktor Suslin auch Arvo Pärt 1980 zur Emigration.

Aus sowjetischen Quellen, die bis dahin zu seiner Person und seinem Werk veröffentlicht waren, läßt sich seine geistige Situation als eine Spielart der ïnneren Emigration" verstehen. Eigentlich hatte seine Karriere hoffnungsvoll begonnen. 1962 hatte er bei einer Leistungsschau junger Komponisten einen der ersten Preise für sein Oratorium Lauf der Welt und seine Kinderkantate Unser Garten gewonnen. Eine Reihe seiner bekanntesten sinfonischen Werke sind noch in der Sowjetunion entstanden, darunter 1959 Nekrolog, 1963 Perpetuum mobile, 1964 Polyphone Sinfonie und Collage über B-A-C-H, 1966 die Zweite Sinfonie und Pro et contra für Cello und Orchester, 1971 die Dritte Sinfonie, 1973 die Sinfonische Kantate Lied an die Geliebte nach Schota Rustaweli (Georgischer Nationaldichter des 12. Jh.), 1977 Cantus in memory of Benjamin Britten und Tabula rasa für zwei Violinen und Kammerorchester. Gleichfalls noch vor 1979 datieren zum Teil religiöse Werke wie 1968 Credo bzw. Fantasie C-Dur für Klavier, Chor und Orchester7, Fratres in der frühesten Version 1977, Cantate Domino canticum novum nach dem 95. Psalm, Missa sillabica 1977, Dies Irae 1976, der Kammerzyklus Tintinnabuli 1975/6 wie auch Kinderstücke Für Alina 1976 und Variationen zur Gesundung von Arinuschka 1977.

Standen die ersten Werke im Zeichen der Apperzeption aller denkbaren avantgardistischen Techniken, folgte seine Musik bald mehr Prinzipien der Strenge und Reduktion, wie sie z.B. das Spätwerk von Schostakowitsch kennzeichnet, und dies im Zeichen programmatischer Bewußtheit. In Notizen zu seinem Zyklus Tintinnabuli aus sieben selbständigen Stücken schreibt er:


7 Anmerkung des Herausgebers: Im Eesti Muusika Biograafiline Leksikon findet man den Werktitel Fantasie für Klavier, Chor und Sinfonieorchester Credo: "[...] fantaasia klaverile, koorile ja sümfooniaorkestrile Credo (1968)."(EMBL, Tallinn 1990, 192) Nach dem Wissenstand des Herausgebers wurde Credo nach den Komplikationen mit den Behörden erst 1978 wieder aufgeführt - und zwar unter dem Titel Fantasie C-Dur für Klavier, Chor und Orchester bei einem Portraitkonzert in Tbilissi.

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