- 24 -Kautny, Oliver (Hrsg.): Arvo Pärt - Rezeption und Wirkung seiner Musik 
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italienischen kommunistischen Zeitung Unità ein Interview gegeben, in dem er nicht nur über die eigene Arbeit, sondern auch die seiner Komponistenkollegen berichtet hatte, und wäre daraufhin um ein Haar aus dem Verband ausgeschlossen worden, was dann Berufsverbot bedeutet hätte, denn erstens war auch eine kommunistische italienische Zeitung eine westliche Zeitung, der ein sowjetischer Komponist keine Interviews zu geben hatte, und vor allem zweitens war aus diesem der unerwünschte Eindruck entstanden, es gäbe ein ganze Gruppe sowjetischer Komponisten auf neuen Wegen. Im Originaltext der verbandsoffiziösen Sowetskaja Muzyka, Oktoberheft 1970, sind solche unerwünschten Erkenntnisse wie folgt definiert:

"Wie man weiß, tritt Edison Denissow nicht zum ersten Mal im Ausland mit einer Darlegung seines Standpunktes hervor. Eine dieser Äußerungen, veröffentlicht in Italien (1966), wurde seinerzeit einer Kritik im Moskauer Komponistenverband unterzogen. Und zwar einer gerechtfertigten Kritik, denn der Autor hatte dort - entgegen der Wahrheit - behauptet, daß offenbar 'die Mehrzahl der jungen sowjetischen Komponisten in ihren Werken die serielle Technik, die Dodekaphonie und die Aleatorik bevorzugt.' Er nannte eine Reihe von Autoren mit Namen, die man daraufhin im Westen zu den sowjetischen Avantgardisten zählte. Das Prinzip, das diese Komponisten auf einer Liste vereinigte, war rein formal: Die eben erst beginnenden Komponisten Kuldar Sink und Gennadi Banschtschikow wurden in gleichem Atem genannt mit Boris Tischtschenko, Sergej Slonimski und zusammen mit Witali Gewiksman, Michail Meerowitsch und Nikolaj Karetnikow. Mit anderen Worten: es kam weder auf Lebensalter und Verschiedenheit der Individualitäten an noch auf den Wert der von ihnen hervorgebrachten Arbeiten und den Grad ihrer Beherrschung des Handwerks. Fügen wir noch hinzu, daß der Einfluß der Spiegelsuite von Andrej Wolkonski auf die junge Generation sowjetischer Musiker von Edison Denissow hier verglichen wurde mit 'dem Einfluß der Fünften Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch, die auf ihre Weise einen entscheidenden Moment in der Entwicklung der sowjetischen Musik markierte.' Vermutlich war dies wohl das erste Mal seit den Zeiten der ASM und der RAPM, daß in den Spalten der Presse (noch dazu der ausländischen) derart krumme Dinge über das Werk sowjetischer Komponisten zu lesen waren, die einer ihrer eigenen Genossen verfaßt hatte [...]."(Journalist (= Editorial-Pseudonym), Sowetskaja Muzyka 10/1970, 44-46)

So kann es nicht wunder nehmen, daß gleich in der nächsten Nummer der Sowetskaja Muzyka, November 1970, die oben zitierten Darlegungen zu Moskauer und Leningrader Komponisten als äntisowjetisches Pamphlet" verurteilt wurden, dessen Verfasser "[...] ein für allemal aus der Liste derer gestrichen werden sollte, die eine Beziehung zur Kunst und zur Wissenschaft von der Kunst haben."(Journalist, Sowetskaja Muzyka 11/1970, 141-144) Auch in Analysen zur frühen Avantgarde in Rußland mochte der Journalist nichts sehen als eine antisowjetische Sensationsmache:

"Wer sind nun diese Musiker, die um Jahre und Jahrzehnte den anerkannten Maîtres der Neuen Wiener Schule vorauseilten und andere Systeme sogar der heutigen Avantgardisten antizipierten? Gojowy zählt sie namentlich auf: Arthur Lourié, Jefim Golyschew, Nikolaj Roslawetz, Sergej Protopopow, Joseph Schillinger, Arseni Awraamow - er zählt sie auf oder genauer gesagt: er wirft sie auf einen Haufen ohne Rücksicht darauf, wer ist wer von denen, die er entdeckte: Komponist oder


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