zwischen
dem, was in der Partitur steht und jenem, was als Inszenierung auf die Bühne
kommt: das sub specie Musik ästhetische Notwendige stellt sich absichtsvoll und
wie von alleine quer zur im Grunde unästhetischen Norm eines Sozialistischen
Realismus.
Das führt zu einer Einsicht, von welcher der wissenschaftliche Diskurs lebt: ein gleicher Gegenstand, fokussiert aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln, diskutiert nach Massgabe unterschiedlicher erkenntnisleitender Interessen und aufgespannt auf sehr verschiedenen analytisch-methodischen Reissbrettern, tritt janusköpfig dann in Erscheinung. Soll heissen: scheinbar widersprechende Antworten verweisen stets auf die abweichenden Horizonte individueller Fragestellungen oder, um mit Hans Magnus Enzensberger zu sprechen: »Wer an die hermeneutische Pforte klopft, dem wird aufgetan«. Felsenstein entwickelt seine Begriffe aus einer Bestimmung der ästhetischen Gesetze des Musiktheaters, deren nützliche Anwendbarkeit in zwei Arbeitsbereichen besteht, demjenigen der Beschäftigung mit dem in der Partitur notierten Werk und dem des Prozesses der szenischen Realisierung. Im ersten Bereich regiert bei Felsenstein unumstößlich die Forderung nach genauestem Werkstudium, deren einzige objektive Gegebenheit die Partitur ist. Der zweite Bereich wird neben der Verpflichtung auf die Ergebnisse der Werkanalyse grundsätzlich durch die Auffassung von jeglichem Theater als Tatsächlichkeit bestimmt: der Sänger lebt, äußert sich, Musik erklingt wirklich und Zuschauer haben reale Empfindungen. Der zentrale Begriff beider Bereiche ist die »Handlung«. Die Kernaussage, die sowohl Felsensteins theoretische Einlassungen wie auch seine praktische Arbeit leitete, »Theater entsteht nicht durch Stimmungen, sondern durch Absichten« (Felsenstein), führte dazu, dass er die »musikalische Handlung« (Felsenstein) als »Grundgesetz auch des Musiktheaters«18
Felsenstein betont immer wieder die Realität der Vorgänge und Äußerungen. Theatralische19
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