- 8 -Homann, Rainer: Die Partitur als Regiebuch 
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Braunmüller erläutert die »unspontan-starre« Wirkung, die der Darstellungsweise einer Identifikationsfigur widersprechen würde, als Mangel der Produktionsweise, insbesondere des von Felsensteins/Mielke verwandten Playback-Verfahrens.14
14
Braunmüller, S. 135
(Der dort von Braunmüller angestellte Vergleich mit dem ausgesprochen kurzen Wochenschaufilm mag eine persönliche Einschätzung sein.) Die distanzierende, teilweise statisch-unterkühlte Darstellungsweise nicht als Mangel, sondern als irritierendes Stilmittel aufgefasst, führt jedoch zu einem differierenden Ergebnis: Die von Braunmüller zutreffend als dem Drama der geschlossenen Form nahestehende Bearbeitung Felsensteins widmet sich mit dem ›Hoffmann‹ einem Stück, dass zu dieser Intention quersteht, was ein illusionistisches Theater auf eine schillernde Weise aufhebt. Um es deutlicher zu sagen: mit allen Mitteln glaubwürdig zu machen, dass Hoffmann sich in eine Puppe verliebt (mittels einer verzaubernden Brille) ist unglaubwürdig in sich. Permanent eine Welt als glaubwürdig zu behaupten, die phantastisch ist – und das in einem durchaus romantischen Sinn – führt zu einer komplexen Brechung, die letztendlich auf ein Theater hinausläuft, in dem die Form des geschlossenen Dramas nurmehr ein Element bedeutet. Ähnliches muss auch Joachim Herz bemerkt haben, wenn er feststellte, »in Felsensteins Offenbach-Inszenierungen berührte sich zu Kristall gefrorene Emotion mit dem, was Brecht ›Verfremdung‹ nannte.«15
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Herz, Joachim: Walter Felsenstein. Versuch eines Kurzporträts, in: Kobán, Ilse (Hrsg.): »Das schlaue Füchslein« von Leos Janácek; S. 12

Felsensteins ›Blaubart‹-Inszenierung, auf die Braunmüller nicht eingeht, passt mit ihrer Fülle an ironischen und parodistischen Brechungen schwerlich in die von Braunmüller skizzierten Parameter Felsensteinscher Inszenierungen. Gerade dort ist ein komplexes Wechselspiel von Glaubwürdigkeit – was der Komplementärbegriff zum Wahrscheinlichkeitsaxiom ist – und Parodie festzustellen.16

16
vgl. Kap. 3.3.2 der vorliegenden Arbeit

Ansonsten sind allfällige Übereinstimmungen bzw. Differenzen der Ergebnisse in beiden Studien m. E. insofern von wissenschaftlichem Interesse, als eine vollkommen unterschiedliche Schwerpunktsetzung vorgenommen wurde, d. h. die zum Teil divergenten Schlussfolgerungen beider Studien verhalten sich zueinander komplementär. Eine dezidierte Untersuchung der konkreten szenischen Lösungen anhand der Filme ist bei Braunmüller – vielleicht mit Ausnahme des ›Fidelio‹-Filmes, der aus den angeführten Gründen von mir nicht näher untersucht wurde17

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vgl. Fußnote 6, S. 6 der vorliegenden Arbeit
– weniger vorrangig. Vor allem aber wird die Problematik eines »musikalischen Theaters«, das die Wurzeln seiner szenischen Vorgänge in der Musik explizit behauptet und beansprucht, bei Braunmüller nur sporadisch berührt. Folgerichtig werden ebensowenig die musikästhetischen und theaterpraktischen Implikationen der Auffassung von der Musik als einem sprachanalogen Ausdrucksmittel erörtert.

Während Braunmüller die Verpflichtung der Arbeiten Felsensteins im Wesentlichen unter dem Gesichtspunkt einer Dramaturgie des geschlossenen Dramas und dann vorrangig an den Felsenstein’schen Bearbeitungen betrachtete, analysiert und diskutiert diese Arbeit die spezifisch musikalische Bestimmtheit Felsensteinscher Erzähl-, Darstellungs- und Arbeitsweise unter Verweis auf stringente Bezugssysteme


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