besteht das ›Duett‹ aus der von Hoffmann komponierten ›Melodie‹, die sie
verbindet.87
Der Antonia-Akt stellt mitnichten eine tragische Liebesgeschichte dar, sondern einen weiteren
Schritt in Hoffmanns Verarbeitungsprozess seiner Liebe zu Stella. Vgl. dazu auch: S. Döhring,
Sieghart: Zur dramaturgischen Konzeption . . . in: Brandstetter, S. 294f.
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Nachdem sie rigoros verlangt, er solle die Fortschritte ihrer Stimme hören und ihn
deswegen am Spinett begleiten, singt sie die erste Strophe. In Felsensteins Inszenierung
trennt sich Antonia mit den ersten Tönen von Hoffmann, geht langsam um das
Spinett herum bis sie vor einem imaginären Publikum in ›Konzertposition‹
steht. Vor dem Gesangseinsatz Hoffmanns reicht sie – der Prätentiosität der
oben beschriebenen Blumengeste verwandt – Hoffmann affektiert ihre Hand
zum Handkuss. Die abschließende kurze Duettstelle findet ein Ende in ihrem
Schwächeanfall.
Somit erklärt sich diese musikalische Nummer (und die Abwesenheit eines
Liebesduettes) aus der Stückhandlung. Felsensteins szenische Lösung, das
imaginäre Konzertpodium Antonias, verdeutlicht, dass mit diesem Lied vorrangig
nicht die Liebe zwischen den Beiden gemeint ist. Es erklingt kein schlichtes
die ehrliche Liebe der beiden meinendes Lied, sondern ein kapriziös-stilisiertes
Kunstlied, das die Sehnsucht nach dem künstlerischen Erfolg in Antonia
evoziert. Nur in dieser Sphäre berühren sich der Komponist Hoffmann und
Antonia.88
vgl. ebd., S. 295: »Nicht naiv-reines Empfinden soll [mit der Romanze] gezeigt werden,
sondern Gefühlsambivalenz. Dabei wird der strophische Formrahmen zwar mehrmals durch
kommentierende A-partes aufgebrochen, jedoch stets wiederhergestellt. Das bedeutet: Die
Erinnerung an den Geliebten gerinnt zum musikalischen »Zitat«, erscheint über die »Kunst«
vermittelt.«
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Die Konstruktion dieser Handlung – und nicht die tragische
Liebesgeschichte – des III. Aktes erklärt sich nur als Reflexion des Dichters
Hoffmann. Reflexion bestimmt konsequent seine Musikdramaturgie. Carl
Dahlhaus89
Vgl. dazu Dahlhaus, Carl: Zur Dramaturgie des Antonia-Aktes in »Hoffmanns Erzählungen«,
in: Brandstetter, S. 309ff.
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hat aufgezeigt, dass Offenbach
»die antizipierenden Motive
(werden) mit sprachlichen Mitteln als Erinnerungsmotive exponiert: Sie sind
bei ihrem ersten Erscheinen musikalisch neu und dennoch dramaturgisch
Reminiszenzen.«90
Dahlhaus erklärt die musikalisch-dramaturgische Struktur mit den Erinnerungen
Antonias und Hoffmanns aneinander, wobei das »musikalisch Bruchstückhafte«
die Erfahrung trifft, »daß die Tiefe der Zeit sich überwältigender bei einem
flüchtig aufblitzenden als bei einem breit ausgemalten Gedächtnisbild
auftut«.91
Sicherlich trifft dies innerhalb des Antonia-Aktes zu. Bedenkt man die dramaturgische
Einbettung in die Rahmenhandlung des sein Liebesunglück reflektierenden und
künstlerisch verarbeitenden Dichters Hoffmann, so erhalten Dahlhaus’ Feststellungen
erst ihre ganze Tragweite:
»Denn was die Antonia-Handlung zeigt, ist abstrakt gesprochen, die Macht
der Vergangenheit über die
Gegenwart.«92
Eben jener Macht Herr zu werden und damit wieder künstlerisch produktiv werden zu
können, thematisiert Offenbachs Oper in der Figur Hoffmanns. Auch der von
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