- 89 -Homann, Rainer: Die Partitur als Regiebuch 
  Erste Seite (i) Vorherige Seite (88)Nächste Seite (90) Letzte Seite (180)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

besteht das ›Duett‹ aus der von Hoffmann komponierten ›Melodie‹, die sie verbindet.87
87
Der Antonia-Akt stellt mitnichten eine tragische Liebesgeschichte dar, sondern einen weiteren Schritt in Hoffmanns Verarbeitungsprozess seiner Liebe zu Stella. Vgl. dazu auch: S. Döhring, Sieghart: Zur dramaturgischen Konzeption . . . in: Brandstetter, S. 294f.
Nachdem sie rigoros verlangt, er solle die Fortschritte ihrer Stimme hören und ihn deswegen am Spinett begleiten, singt sie die erste Strophe. In Felsensteins Inszenierung trennt sich Antonia mit den ersten Tönen von Hoffmann, geht langsam um das Spinett herum bis sie vor einem imaginären Publikum in ›Konzertposition‹ steht. Vor dem Gesangseinsatz Hoffmanns reicht sie – der Prätentiosität der oben beschriebenen Blumengeste verwandt – Hoffmann affektiert ihre Hand zum Handkuss. Die abschließende kurze Duettstelle findet ein Ende in ihrem Schwächeanfall.

Somit erklärt sich diese musikalische Nummer (und die Abwesenheit eines Liebesduettes) aus der Stückhandlung. Felsensteins szenische Lösung, das imaginäre Konzertpodium Antonias, verdeutlicht, dass mit diesem Lied vorrangig nicht die Liebe zwischen den Beiden gemeint ist. Es erklingt kein schlichtes die ehrliche Liebe der beiden meinendes Lied, sondern ein kapriziös-stilisiertes Kunstlied, das die Sehnsucht nach dem künstlerischen Erfolg in Antonia evoziert. Nur in dieser Sphäre berühren sich der Komponist Hoffmann und Antonia.88

88
vgl. ebd., S. 295: »Nicht naiv-reines Empfinden soll [mit der Romanze] gezeigt werden, sondern Gefühlsambivalenz. Dabei wird der strophische Formrahmen zwar mehrmals durch kommentierende A-partes aufgebrochen, jedoch stets wiederhergestellt. Das bedeutet: Die Erinnerung an den Geliebten gerinnt zum musikalischen »Zitat«, erscheint über die »Kunst« vermittelt.«

Die Konstruktion dieser Handlung – und nicht die tragische Liebesgeschichte – des III. Aktes erklärt sich nur als Reflexion des Dichters Hoffmann. Reflexion bestimmt konsequent seine Musikdramaturgie. Carl Dahlhaus89

89
Vgl. dazu Dahlhaus, Carl: Zur Dramaturgie des Antonia-Aktes in »Hoffmanns Erzählungen«, in: Brandstetter, S. 309ff.
hat aufgezeigt, dass Offenbach

»die antizipierenden Motive (werden) mit sprachlichen Mitteln als Erinnerungsmotive exponiert: Sie sind bei ihrem ersten Erscheinen musikalisch neu und dennoch dramaturgisch Reminiszenzen.«90

90
ebd., S. 310

Dahlhaus erklärt die musikalisch-dramaturgische Struktur mit den Erinnerungen Antonias und Hoffmanns aneinander, wobei das »musikalisch Bruchstückhafte« die Erfahrung trifft, »daß die Tiefe der Zeit sich überwältigender bei einem flüchtig aufblitzenden als bei einem breit ausgemalten Gedächtnisbild auftut«.91

91
ebd., S. 310
Sicherlich trifft dies innerhalb des Antonia-Aktes zu. Bedenkt man die dramaturgische Einbettung in die Rahmenhandlung des sein Liebesunglück reflektierenden und künstlerisch verarbeitenden Dichters Hoffmann, so erhalten Dahlhaus’ Feststellungen erst ihre ganze Tragweite:

»Denn was die Antonia-Handlung zeigt, ist abstrakt gesprochen, die Macht der Vergangenheit über die Gegenwart.«92

92
ebd., S. 311

Eben jener Macht Herr zu werden und damit wieder künstlerisch produktiv werden zu können, thematisiert Offenbachs Oper in der Figur Hoffmanns. Auch der von


Erste Seite (i) Vorherige Seite (88)Nächste Seite (90) Letzte Seite (180)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 89 -Homann, Rainer: Die Partitur als Regiebuch