eigene Zutat ist. Die vom
sozialistischen Realismus gegen die ›formalistische‹ Avantgardetradition
gerichtete Forderung nach Allgemeinverständlichkeit war ein von Felsenstein
wie selbstverständlich geteilter
Grundsatz.«10
Dass sich Elemente des Theaters Felsensteins im Sozialistischen Realismus wiederfinden
lassen, sei unbestritten. Dass darin die Vereinbarkeit Felsensteins mit der
DDR-Kulturpolitik und ihrer Kunstdoktrin begründet ist, stimmt mit den Resultaten
der vorliegenden Untersuchungen weitgehend überein. Jedoch hier, wie an vielen
anderen Stellen andeutend, schreibt Braunmüller Felsenstein aus einem dem
Sozialistischen Realismus verhafteten Standpunkt entwickelte Intentionen seiner
Stückauffassung zu. Im Folgenden sei genauer erläutert, warum das fragwürdig
erscheint.
Auf der Grundlage der Einordnung Felsensteins als Anhänger der geschlossenen Form
des Dramas stellt Braunmüller fest:
»Felsensteins Theater zeigte Figuren, die stets
über eine absolute Handlungsfreiheit verfügen. Der Mensch sollte selbst im
Augenblick einer Verinnerlichung [...] als autonom handelndes Individuum
erscheinen.«11
Braunmüller stellt zutreffend fest, dass dieses – der deutschen Klassik verpflichtete
– Menschenbild in Teilen dem des Sozialistischen Realismus entspricht. Der
Rückschluss, dass, wer etwa die Autonomie des handelnden Individuums auf der
Bühne zeigt, dem Sozialistischen Realismus anhängt, ist selbstverständlich nicht
zulässig. Es scheint fast so, dass Braunmüller an den Elementen des positiven
Helden, der Wahrscheinlichkeitsaxiomatik und der Darstellung von über autonome
Handlungsfreiheit verfügenden Figuren nicht nur avantgardistisches und damit
seiner Ansicht nach zeitgemäßes Theater vermisst, sondern aus Felsensteins
Parteinahme für diese Elemente entwickelt, dass jener dem Sozialistischen Realismus
verpflichtet sei. Braunmüller stellt an vielen Stellen seiner Arbeit Felsensteins
Verwurzelung mit der Form des geschlossenen Dramas fest und konstatiert daran
anschließend oder unmittelbar vorausgehend eine von Felsenstein intendierte Nähe zum
Sozialistischen Realismus. Fast mutet es so an, als wenn Felsensteins Ablehnung
avantgardistischer Strömungen, die ihren Grund in seiner Parteinahme für die deutsche
Klassik hat, – und die zweifelsfrei Bedingung dafür war, dass Felsenstein von der
DDR-Kulturpolitik gefeiert wurde – als Beweis für seine Nähe zum Sozialistischen
Realismus zu gelten habe. Dass sich diese »konservative« (Braunmüller) Haltung
Felsensteins ebenso mit dem Standpunkt namhafter westdeutscher Kritiker, denen
sicherlich keine Nähe zum Sozialistischen Realismus unterstellt werden kann,
vertrug,12
vgl. Kap. 2.1.5 der vorliegenden Arbeit
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mag schon ein Hinweis auf Felsensteins Differenz zur DDR-Kunstdoktrin sein. Aus
Felsensteins Nähe zum Drama der geschlossenen Form ist auf die dem klassischen
Idealismus verhafteten wirkungsästhetischen Theaterauffassung Felsensteins zu schließen,
die wiederum Grund und Bedingung für Felsensteins Erfolg in beiden Teilen
Deutschlands war.
In diesen Kontext gehört auch Braunmüllers Interpretation des
Hoffmann als Identifikationsfigur, die mit einem Aufsatz Jürgen Schläders
korrespondiert.13
vgl. dazu Fußnote 102, S. 97 der vorliegenden Arbeit
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