zöge. Er schlägt
vor, eine Inszenierung daraufhin zu untersuchen, wo sie sich vom Werk entfernt und
dann zu fragen, warum sie dies tut. Hierbei fasst er durchaus eine Differenz zum
jeweiligen Werk ins Auge, lässt diese Differenz jedoch nur dann gelten, wenn zu erläutern
ist, warum gerade die Intentionen eines Werkes einen Eingriff in es nötig machen.
Gerade in dem, wie er die schöpferische Freiheit einer Inszenierung aus ihrer
Differenz zum Werk betont, stellt er für jene als Kriterium und Grenze eben das
Werk fest. Einen solchen die Dialektik vom Verpflichtetsein gegenüber dem
Werk einerseits und andererseits dem Bewusstsein von der eigenschöpferischen
Tätigkeit des Regisseurs genau in den Blick nehmenden Standpunkt unter die
theatergeschichtliche Kategorie des Regietheaters zu subsumieren, weicht eben
diesen Begriff auf. Eine derartige Verwendung des Begriffs würde hinter dessen
konkrete inhaltliche Bestimmtheit, wie sie etwa Dahlhaus schon vorgeführt hat,
zurückfallen.
Das oben angeführte Interview lässt zudem Felsensteins Distanz zum Sozialistischen
Realismus erkennen. In seinen gesamten Untersuchungen wie auch in einem eigenen
Kapitel widmet Braunmüller sich dem Verhältnis der Inszenierungen Felsensteins zur
normativen Ästhetik des Sozialistischen Realismus in der DDR. Während Braunmüller
vor allem aus den Bearbeitungen Übereinstimmungen mit dem Sozialistischen Realismus
entwickelt, wird in der vorliegenden Arbeit der Nachweis der Vereinbarkeit des Schaffen
Felsensteins mit der DDR-Kunstdoktrin über Felsensteins idealistische Wirkungsästhetik
geführt.7
vgl. Braunmüller, S. 54ff und vorliegende Arbeit, S. 31ff.
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Braunmüller kommt zu folgender Einschätzung:
»Eine bejahende Kunst, die positive Werte vermittelt und einen positiven
Helden als Identifikationsangebot bereithält: Mit diesen entscheidenden
Elementen des sozialistischen Realismus stimmte Felsensteins Theater
überein. Doch der Regisseur war, in der ideologischen Sprache der Zeit
formuliert, ein mit der Arbeiterklasse verbündeter bürgerlicher Humanist.
Die
Grenze zur offenen Politisierung überschritt er, vom Fidelio-Film abgesehen,
nicht.«8
Trotzdem vermittelt Braunmüller an vielen
Stellen9
vgl. ders. 58, 64, 71, insb. 178; siehe auch die Vereinnahmung Felsensteins durch die
Kulturpolitik der SED, vgl z. B. S. 53)
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den Eindruck, dass Felsensteins Kunst durchaus dem Sozialistischen Realismus
verpflichtet war, indem er Elemente der Theaterauffassung Felsensteins – den positiven
Helden, die Allgemeinverständlichkeit, die Autonomie handelnder Figuren – mit
dem Sozialistischen Realismus assoziierte. So schreibt Braunmüller über den
›Hoffmann‹:
»Dennoch (vorher wird der Konflikt zwischen Schöpfertum und
Liebe als ›Variante des Widerstreits von Pflicht und Neigung‹ als
beliebtes Schema konstatiert, eine Liebeshandlung mit der Problematik
der Künstlerpersönlichkeit zu verbinden) drängt sich bei Felsensteins
Bearbeitung der Verdacht auf, Hoffmann werde zum positiven Helden
im Sinn des sozialistischen Realismus stilisiert. Im strengen Sinn ist dies
zwar analytisch kaum faßbar, doch läßt sich diese Vermutung anhand
offenkundiger Analogien zumindest präzisieren, insbesondere wenn man
das von der Bearbeitung in den Zwischenakten transportierte Verständnis
von Literatur heranzieht, das Felsensteins
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