- 56 -Homann, Rainer: Die Partitur als Regiebuch 
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der die Musik erschafft und somit der Musik selbst. Nicht nur ihre Wirkungsweise im Zuhörer, sondern die Musik selbst weist eine selbstreflexive Qualität auf. Der Unterschied zu rezeptionsästhetischen Ansätzen besteht darin, dass diese Innerlichkeit nur als Ort der Rezeption fassen. Jegliches Kunstwerk konkretisiere und realisiere sich nur im wahrnehmenden Subjekt, also sei das Kunsterlebnis des wahrnehmenden Subjektes und in diesem Sinne seine Innerlichkeit zu erforschen. Hegel macht seine Bestimmung der Musik als der »Innerlichkeit« zugehörig an ihr selbst fest. Innerlichkeit ist wesentliche Qualität der objektiv gegebenen Musik, nicht Eigenschaft des wahrnehmenden Subjektes. Der musikalische Rezeptionsakt ist als der weitgehend der Subjektivität überantwortete Vorgang durch die Beschaffenheit des musikalischen Kunstwerks bestimmt und nicht dieses durch das subjektive Kunsterlebnis.

»die eigentliche Region seiner [des Musikers] Kompositionen aber bleibt die formellere Innerlichkeit, das reine Tönen, und sein Vertiefen in den Inhalt wird statt eines Bildes nach außen vielmehr ein Zurücktreten in die eigene Freiheit des Inneren, ein Ergehen seiner in ihm selbst und in manchen Gebieten der Musik sogar eine Vergewisserung, daß er als Künstler frei von dem Inhalte ist.«15

15
Hegel, S. 141

Dass das musikalische Kunstwerk sich notwendig mittels unserer eigenen Subjektivität realisiert, »statt eines Bildes nach außen vielmehr ein Zurücktreten in die eigene Freiheit des Inneren« stattfindet, ist das Spezifikum des musikalischen Kunstwerkes, es haftet ihm als Kunstprodukt an. Aus dieser Qualität erklärt sich das Mitreißende der Musik, ihre Qualität, vermeintlich authentisch die in der Musik dargestellten Gefühle im Zuhörer zu erzeugen. Das, was Musik erweckt, sind Bewegungen der eigenen Subjektivität, die durch den konkreten Verlauf des musikalischen Prozesses geprägt sind. Um diesen Gedanken deutlich zu machen sei er davon abgegrenzt, was mit der Vokabel der ›Emotionalisierung‹ gefasst wird.

Wenn eine Anschauung oder ein Begriff durch Musik emotionalisiert wird, bleibt die Musik der Substanz dieses Erlebnisses fremd. Sie leistet dann nur, dass ein Rezeptionsakt in einer anderen Art und Weise, nämlich mit einer emotionalen Intensität vonstatten geht. Diese emotionale Intensität ist nicht dem Hauptgegenstand der Rezeption geschuldet, sondern dem ästhetischen Phänomen, dass Musik überhaupt Emotionalität evoziert. Musik leistet hier zwar eine emotionalisierte Rezeption, jedoch eines Gegenstandes, dem sie äußerlich ist. Sie wirkt quasi als »Background«. Zur Verdeutlichung, wie sich ein solcher Musikbegriff auf die Analyse von Opernszenen auswirkt, sei ein Beispiel angeführt, auf das im weiteren Verlauf bei der Analyse der betreffenden Szene noch genauer eingegangen wird. Hier soll es nur der Verdeutlichung des musikästhetischen Gedankenganges dienen:

Die Szene im I. Akt des ›Othello‹ von G. Verdi in der Inszenierung von Felsenstein beschreibt Konrad Körte in seiner vor allem Fragestellungen nach den filmischen Mitteln, die Felsenstein in seinem Othello-Film verwendet, gewidmeten Arbeit folgendermaßen:


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