- 57 -Homann, Rainer: Die Partitur als Regiebuch 
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»Er [Felsenstein] führt den Menschen im Sturm vor, obwohl dieser eigentlich nur Zuschauer ist; aber in seiner Gestik und Mimik zeigt dieser die Szene auf dem Meer, die darüber hinaus ausschließlich akustisch vorgestellt wird.«16
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Körte, Konrad: Die Oper im Film, Analysen des Produktionsapparates und der Regie an Hand von G. Verdis ›Othello‹ in der Inszenierung für den Film von Walter Felsenstein, Frankfurt/Main 1989

Körte scheint zwei Szenen wahrzunehmen: den Menschen im Sturm und die in der Erzählform der Teichoskopie dargestellte Szene auf dem Meer. Die letztere gelangt akustisch zur Erscheinung, während jene optisch präsentiert wird. Es wird eine Trennung der beiden konstituierenden Medien vorgenommen: in der Musik ist das eine, in der optischen Szene etwas anderes aufbewahrt. Dabei ordnet er die sprachlichen Elemente der optischen Szene zu:

»Die Dichtung enthält knappe, präzise Aussagen, die tatsächlich in dieser Situation gemacht werden können [...]. Solche Ausrufe werden vom Komponisten in den Vokalpartien gedeutet und darüber hinaus im Orchestersatz eindrucksvoll dargestellt, wobei durch spezielle Effekte ein akustischer ›Background‹ hergestellt wird.«17

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ebd.

Weiterhin ordnet Körte die akustische Szene der optischen nach, die Musik wird als akustischer »Background« aufgefasst, als Medium der Emotionalisierung. Die Aufgabe der Musik erschöpft sich in einer stimulierenden Wirkung. Dass Musik stimulierende Qualitäten hat, ist unbestritten. Erinnert sei an die reichhaltigen Einsatzgebiete von arbeitspsychologisch begründeten Verwendungen am Arbeitsplatz über ihren Einsatz in der Werbung bis hin zur – unserer Fragestellung näher liegenden – Verwendung als Filmmusik. Wie die emotionalisierende Funktion von Filmmusik grundsätzlich funktioniert, hat H.C. Schmidt treffend gefasst:

»Geht man von der ursprünglichen Einschätzung des Films aus, so steht zu vermuten, daß M u s i k  s c h l e c h t h i n – nicht etwa ein ganz bestimmter musikalischer Charakter mit einem hohen Affinitätsgrad – die Wahrnehmung so beeinflußt, daß die Einschätzung des filmischen Inhalts sich verändert. [...] Eine Verallgemeinerung findet insofern statt, als die Einbettung in Musik überhaupt, weniger in eine bestimmte Musik, eine gewisse Wahrnehmungsschärfung zur Folge hat [...]. Das erscheint einleuchtend, weil einer anthropologisch-physiologischen Grunderfahrung zufolge die intellektuelle Aktivität ohne Beteiligung der emotionalen Komponente weniger spontan sich entfaltet.«18

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Schmidt, Hans-Christian: Musik als Einflußgröße bei der filmischen Wahrnehmung, derselbe (Hrsg.), Musik in den Massenmedien Rundfunk und Fernsehen, S. 156

Die Filmmusik macht sich die Wirkung von Musik, den Zuhörer emotional zu beteiligen, für die Inanspruchnahme des Filmzuschauers zunutze. Das Verbindende von Filmszene und ihrer Musik konstituiert sich wirklich erst in der Rezeption des Zuschauers, während die Opernszene für sich ein ihrem Wesen nach musikalisch bestimmtes Theater ist. Daher soll hier bezweifelt werden, dass sich die Funktion der Musik in der Oper – und im Opernfilm – darin erschöpft, zu emotionalisieren.


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