- 4 -Homann, Rainer: Die Partitur als Regiebuch 
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Integration der Elemente der Oper im Auge hat, sich zur Entstehungszeit dieser Dissertation keineswegs schon durchgesetzt hatte, berechtigt gewesen. Ansonsten mutet die Arbeit, wo sie Felsenstein explizit behandelt, wie eine paraphrasierte Zitatensammlung der Auffassungen Felsensteins an, was vielleicht seinen Grund darin hatte, dass viele Texte noch nicht in dem Maße zugänglich waren, wie sie es heute sind. Jedoch ist bedauerlich, dass seine ausführliche Diskussion des Sozialistischen Realismus (S. 177–204) keinen Bezug auf die Arbeiten Felsensteins nimmt. Auch Münz’ Ausführungen bezüglich der ›Unnatürlichkeit des Gesangs‹ (S. 210–231) übersehen die Wichtigkeit dieses Begriffs bei Felsenstein in seiner Relevanz für Darstellungskategorien. Felsenstein bezieht die Unnatürlichkeit des Gesangs auf die Kategorien der Wahrscheinlichkeit und Glaubwürdigkeit einer Handlung, Münz jedoch referiert unter letztendlich anthropologischen Gesichtspunkten Theorien der Entstehung des Singens.

Ein halbes Jahr nach Fertigstellung und Abgabe der vorliegenden Arbeit erscheint die Studie »Oper als Drama: das ›realistische Musiktheater‹ Walter Felsensteins« von Robert Braunmüller,2

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Braunmüller, Robert: Oper als Drama: das ›realistische Musiktheater‹ Walter Felsensteins, Tübingen: Niemeyer, 2002
so dass der glückliche Umstand gegeben ist, wenigstens grosso modo auf die Veröffentlichung Braunmüllers an dieser Stelle einzugehen. Braunmüller führt anhand von detaillierten Untersuchungen der Fassungen, die Felsenstein für seine Inszenierungen erstellte, den Nachweis, dass und wie Felsenstein die von ihm aufgeführten Werke bearbeitet hat. Weiterhin erläutert er das analytische Kriterium, welches den Bearbeitungen zugrunde liegt. An der Untersuchung der Konzeptionen Felsensteins zu ›Zauberflöte‹, ›Carmen‹ und ›Hoffmanns Erzählungen‹ entwickelt Braunmüller eine seiner Hauptthesen über Felsensteins Arbeit, nämlich dessen strikte Anwendung der Regeln des geschlossenen Dramas im Sinn Gustav Freytags (vgl. insb. S. 37). Im Folgenden sollen einige Differenzen und Gemeinsamkeiten der beiden Arbeiten über Felsensteins Schaffen zumindest punktuell angedeutet werden.

Eine Differenz ist in der Einschätzung des Verhältnis Felsensteins zum modernen ›Regietheater‹ eindeutig zu konstatieren. Braunmüllers Eingangsthese besteht darin, dass Felsenstein, der als Antipode des modernen Regietheaters gelte, »an der Komischen Oper der fünfziger Jahre das Regietheater auch im musikalischen Theater unwiderruflich etabliert«3

3
Braunmüller, S. 9
habe. »Seiner [Felsensteins] künstlerischer Vision hatte sich alles unterzuordnen«, so lautet Braunmüllers Argument. Wesentliches Kennzeichen des modernen Regietheaters scheint mir jedoch nicht bloß die Autorität des Regisseurs über die Inszenierung eines Stückes zu sein, sondern der bestimmte Umgang mit Stücken, den Dahlhaus damit charakterisiert, »[. . . ] latente Schichten, mythische Archetypen, historische Tiefenstrukturen, aktuelle Bezüge oder soziale Prämissen«4
4
Dahlhaus, Carl: Vom Musikdrama zur Literaturoper, S. 171, vgl. dazu auch S. 128ff. der vorliegenden Arbeit
herzustellen. Zur Intention einer Inszenierung wird auf diesem Weg eine bedeutsame Aussage über ein Stück. Erst auf der Grundlage dieser intendierten zweiten Ebene kann das Kriterium der Originalität und Besonderheit einer Inszenierung, die die Handschrift eines Regisseurs hervorbringt, etabliert werden.


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