- 34 -Homann, Rainer: Die Partitur als Regiebuch 
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bei ihr angesetzt und zwar in der Art und Weise, dass die Frage gestellt wurde, ob nicht gerade der Künstler Felsenstein in den Westen streben müsste:

»Rigoletto in der Hamburgischen Staatsoper, Inszenierung Walter Felsenstein: der Name elektrisiert. Dahinter steht nicht nur die künstlerische Potenz des Hausherrn der Ostberliner Komischen Oper und vielleicht bedeutendsten Opernregisseurs der Zeit. Dahinter erheben sich die Schatten der Politik, die Probleme von Ost und West geraten ins Spiel. Die Frage, wann Kunst für ihre Existenz mit der eigenen Draufgabe bezahle, drängt sich in die Erwägungen.«65

65
Bachmann, Claus-Henning in: Frankfurter Nachtuasgabe (16) v. 16.5.62; zit. nach. SdAK, Walter Felsenstein-Archiv Nr. 528

Der Autor denkt sich als unbedingte Voraussetzung für Kunst Freiheit, aber eine Freiheit, die nur der Westen zu bieten habe. Denn die Freiheiten, die Felsenstein in Ostdeutschland geboten wurden, sollten dem Künstler Felsenstein nicht genügen dürfen – Freiheiten, die ein anderer westlicher Autor als Grund für Felsensteins Bleiben in der DDR ausmachte:

»Er [Felsenstein] arbeitete in seinem Hause wie in einem dramaturgischen Labor. Die enormen finanziellen Mittel, die er für seine Unternehmungen benötigte, wurden ihm – wenn auch nicht immer ohne Feilschen – von der sowjetzonalen Regierung zur Verfügung gestellt. [...] Felsenstein hat in jeder Saison mit Müh und Not 2–3 Einstudierungen herausgebracht, freilich jede bis ins letzte durchgeschliffen und die Reprisen noch in jedem Jahr aufpoliert.«66

66
Rühle, S. 256f.

Diese praktischen Freiheiten, die kein westdeutsches Theater zu bieten hätte, sollen jedoch verblassen angesichts des geistigen Klimas der DDR, das Claus-Henning Bachmann, indem er Felsensteins Schicksal mit dem Rigolettos analogisierte, mit dem eines absolutistischen Regimes verglich:

»Es wird deutlich, daß die Tragik des Helden nicht ganz stimmt: Der Aufstand gegen den absolutistischen Herrscher ist nicht aufzuhalten. Das entspricht Verdis Intentionen. Es ist auch aktuell: zweifellos lehnt sich Felsenstein durch sein Künstlertum gegen ein absolutistisches Regime auf, das ihn nur zu gern als Hofnarren sähe. [...] Eine Große Premiere im Zeichen des ›Dennoch‹.«67

67
Bachmann, Claus-Henning in: Frankfurter Rundschau v. 1.6.62; zit. nach SdAK, Walter Felsenstein-Archiv Nr.528

Woher Bachmann die Auflehnung Felsensteins nimmt, bleibt unklar. Einer Äußerung Felsensteins ist es nicht zu entnehmen. Allein: Der Künstler strebt nach Freiheit. Die Tatsache, in höchstem Maße kreativ zu arbeiten, stelle einen Gegensatz zur Geistlosigkeit des DDR-Regimes dar. Die in der DDR und durch Mittel der DDR realisierten Leistungen des Individuums Felsenstein stünden im Widerspruch zur entindividualisierten Welt des DDR-Alltags. Ganz in diesem Sinne äußert sich Bachmann weiter, indem er auf ein Buch, dass der westdeutsche Kritiker Siegfried Melchinger, ein entschiedener Anhänger des Felsensteinschen Theaters gemeinsam


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