- 21 -Homann, Rainer: Die Partitur als Regiebuch 
  Erste Seite (i) Vorherige Seite (20)Nächste Seite (22) Letzte Seite (180)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

Das ästhetische Urteil befasst sich mit dem Verhältnis des Gegenstands zur sinnlichen Seite des Menschen, zu seiner »Einbildungskraft«. Schiller bestimmt das Interesse der Einbildungskraft als »sich frei von Gesetzen im Spiele zu erhalten«.27
27
ebd., S. 530
Die »sittliche Verbindlichkeit des Willens«28
28
ebd.
steht im Gegensatz zum Interesse der Einbildungskraft. Gegen diesen Gegensatz wendet Schiller jedoch ein, dass die Voraussetzung der sittlichen Verbindlichkeit eine »absolute Independenz desselben [des Willens] vom Zwange des Naturtriebs«29
29
ebd.
sei. Indem die Möglichkeit des Sittlichen Freiheit postuliere, kann Schiller eine Übereinstimmung mit dem Interesse der Einbildungskraft entdecken, frei von Gesetzen zu sein. Bemerkenswert hieran ist die behauptete Identität von Freiheit, nämlich als Freiheit vom Naturtrieb und als Freiheit vom Gesetz. Nur abstrahierend vom verschiedenen Gegenstand der Freiheit kann Schiller das gemeinsame Interesse von der Moralität des Willens einerseits und der Unabhängigkeit der Einbildungskraft andererseits bestimmen: Die Freiheit als solche.

Die moralische Beurteilung rückt die Notwendigkeit einer Handlung ins Zentrum der Betrachtung, sie schaut auf die moralische Vernünftigkeit der Handlung. Die ästhetische Beurteilung würdigt die Zufälligkeit des Gegenstandes, also die Kraft des Entschlusses zur moralischen Handlung. Das Vermögen des Subjektes, zu handeln, wie es will, wird zum Gegenstand des Genusses. Dass der »freie Wille« wollen will, was recht ist, behandelt Schiller als Nezessität.

Während das moralische Urteil eine Handlung als notwendig billigt, wodurch sie uns als Gebot und Pflicht erscheint, ergibt sich aus der ästhetischen Schätzung eine besondere Qualität:

»Beurteilt hingegen der ästhetische Sinn, die Einbildungskraft, die nämliche Handlung, so erfolgt eine positive Lust, weil die Einbildungskraft niemals Einstimmigkeit mit ihrem Bedürfnisse fordern kann und sich also von der wirklichen Befriedigung desselben, als von einem glücklichen Zufall, überrascht finden muß.«30

30
ebd., S. 530f.

Das bloße Vermögen, zu wollen, erhebt uns über die Befangenheit des Wirklichen:

»Dort [im Freiheitstriebe der Phantasie] schwingen wir uns von dem Wirklichen zu dem Möglichen und von dem Individuum zur Gattung empor...«.31

31
ebd., S. 532

Der Mangel des Wirklichen besteht in seiner Vernunftlosigkeit. Der »freie Wille« des Menschen ist jedoch in der Lage, diese Vernunftlosigkeit zu überwinden. Da dieser Wille dahingehend bestimmt(!) ist, sich sittlich zu betätigen, verwirklicht sich Vernunft. Dass sie sich verwirklicht, der Wille sich auch so betätigt, hat eine Einschränkung: Seine Freiheit. Die besondere Qualität der Einbildungskraft besteht darin, mit Lust darauf zu reagieren, wenn ihr Gegenstand mit ihrem Interesse übereinstimmt. Ihr Interesse ist, »frei von Gesetzen sich zu erhalten«. Folglich muss ihr Freiheit als Gegenstand gegeben werden, um Lust zu empfinden. Zwang schlechthin ist für Schiller der Naturtrieb, bzw. das aufs materielle gerichtete Sinnenwesen


Erste Seite (i) Vorherige Seite (20)Nächste Seite (22) Letzte Seite (180)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 21 -Homann, Rainer: Die Partitur als Regiebuch