Sinne Erotischen, sondern verweist
auf eine Instanz des Natürlich-Kreatürlichen. Die Wünsche dieser Figuren sind geboren
aus ihrer Innerlichkeit als Naturwesen. Aus dieser Herkunft beziehen sie ihre
höhere Legitimation. Bestritten wird ihr Interesse durch eine unmenschliche
Gesellschaft, die jeweils verschiedene Züge des Degenerierten und Deformierten
trägt.
Während in seinen anderen Inszenierungen eine weibliche Figur die Trägerin natürlicher Emotion ist, welche sie über die jeweilige Gesellschaft hinausweisen lässt, reflektiert Felsenstein in seinem ›Hoffmann‹ den Künstler, dessen poetischer Blick auf die entseelte Wirklichkeit es ermöglicht, jener wieder Leben einzuhauchen, und zwar durch die Liebe. Die Transzendenz der Kunst ist hier das Thema. Die Ebene der Reflexion von Kunst und Leben ist auch in seinem ›Blaubart‹ angeschnitten, doch reflektiert er hier durchaus kritisch die Möglichkeiten der Kunst zur Transzendenz einer schrecklichen Welt. Die Schrecken der Welt werden dadurch angeklagt, dass Kunst gewissermaßen an ihrem happy-end scheitert. Trotzdem lassen sich, betrachtet man gerade die beiden Offenbach-Arbeiten Felsensteins zusammen, auffällige Bezüge herstellen: Während sein Hoffmann in der Apotheose des Künstlers endet, der, indem er sich durch die Kunst über sein persönliches Schicksal erhebt und die Liebe als Kraft des Lebens und der Poesie entdeckt, durchweg positive Qualitäten der Kunst verkörpert, trägt die Parodie auf das happy-end im ›Blaubart‹ einen resignativen Zug. Angesichts der Vorgänge einer solchen Wirklichkeit bleibt nur eine Lösung: Theaterspielen. Angesichts dessen, dass gerade die von Bobèche und Blaubart vermeintlich Ermordeten das Material für das glückliche Ende auf dem Theater bilden – sie werden gegenseitig verheiratet – und sich die Hauptfigur Boulotte, als Verkörperung des Lebens (!), letztlich widerwillig fügt, entbehrt ein solcher Schluss nicht eines gewissen Sarkasmus’ des Künstlers. Die Idee, die Felsenstein mit dem »musizierenden Theater« verfolgt, beruht auf einer geschichtsphilosophischen Konstruktion: In einer rationalisierten Welt, die den Menschen von seiner eigenen Natur entfremdet, könne das Theater noch ein Erlebnis des »Elementaren«, des »Ursprünglichen« ermöglichen. Die verlorengegangene Einheit des Theaters zugunsten der Aufsplitterung in verschiedene Gattungen vollzieht Felsenstein nicht nach. Gerade in der Rückwendung zu einem universelleren Theater sieht er den Weg, dass »Elementare« zu äußern.11
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