4. Zusammenfassung und Schluss
Angesichts einer »Opernbranche«, die er als verkommen beurteilte, bezweckte
Felsenstein mit ihrer »Retheatralisierung«, die Oper für das Ensemble der klassischen
Künste (zurück-) zu gewinnen. Die wirkungsästhetischen Ziele des klassischen
Theaters, die er dabei mitdenkt, verlangen eine Identifizierung des Zuschauers mit
Figuren, die ihre Zwecke handelnd verfolgen. Insofern bedarf ein solches Theater
einer sichtbaren und verständlichen Handlung als Grundelement. Die Oper
weist die Besonderheit auf, dass sie sich wesentlich in Musik ereignet, gerade
hierdurch entfaltet sie ihre Kraft, den Zuschauer an den Vorgängen in besonderer
Weise teilnehmen zu lassen. Gleichzeitig entzieht sich ein musikalischer Vorgang
einer begrifflichen Verständlichkeit, die von Nöten wäre, um im »musizierenden
Theater« Musik für die Gegenständlichkeit und Intentionalität szenischen Handelns
konstitutiv werden zu lassen. Unter Rückgriff auf H.H. Eggebrecht, der schreibt,
dass
»das ästhetische Verstehen [...] [ist] in seiner reinen Form das
im Bereich des Sinnlichen sich abspielende begriffslose Verstehen des
in der musikalischen Formung begriffslos objektivierten Sinns der
Musik«1
Eggebrecht, H.H.: Musik verstehen R. Piper, München 1995, S. 35
|
ist, muss betont werden, dass Musik für theatralische Handlungen, die einen Grund
haben und einen Zweck verfolgen, schlichtweg nicht konstitutiv werden kann, sie tritt
bestenfalls der Handlung hinzu:
»[...] nämlich bei der Verbindung der Musik mit Begrifflichem,
zum Beispiel bei der Vokalmusik, bezieht sich das rein ästhetische
Musikverstehen streng genommen nur auf das reine Tondasein der
Musik, ihren in ihrer Formung gelegenen Sinn – alles andere kommt
hinzu.«2
In der Befassung mit Hegels Musikästhetik wurde jedoch deutlich, dass Musik,
wenn ihr ein konkretisierendes Medium beigegeben ist, ihre Wirkungsweise
verändert: Vom Affizieren der »abstrakten Innerlichkeit« geht sie über in die
Form von Empfindungen, deren konkrete Inhalte zu benennen sind. In der Oper
leistet diese Konkretisierung die »musikalische Handlung«. In ihrem Begriff ist
sowohl seine Differenz zu einer Betrachtung des »Wort-Ton-Verhältnisses« als
auch der Bezug einer theoretischen Befassung zur praktischen Verwirklichung
aufgehoben.3
vgl. Dahlhaus, C.: Zur Methode der Opernanalyse, in: ders.: Vom Musikdrama zur
Literaturoper, Piper, München 1989, S. 11: »Wie sich aber die Forderung, daß in jedem
Augenblick das szenisch-gestische Moment zum musikalischen und sprachlichen in Relation
gesetzt werden sollte, analytisch einlösen läßt, ist ein Problem, das Verlegenheit bereitet,
weil es einstweilen an Begriffen mangelt, die zwischen den Grundsätzen der Theorie und den
Details, aus denen die Praxis besteht, plausibel vermitteln.«
|
Die Untersuchungen der Konzeptionen Felsensteins und deren Umsetzung erwiesen den
Begriff der musikalischen Handlung, der mittels der Frage nach ihrer Veranlassung,
ihrem
|