- 147 -Homann, Rainer: Die Partitur als Regiebuch 
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klingen kann, aber nicht dem Zweck hier entspricht, denn er weiß nicht, dass er singt, er weiß nicht, dass er zum Singen gezwungen wurde.«221
221
ebd., S. 22

Die von Verdi geforderte Dynamik widerspricht wahrhaftig einem vorbereiteten Ständchen, sie betont das Außergewöhnliche, ja fast Geheimnisvolle, dieses Vorgangs.

Ein festliches Trinklied, gekonnt vorgetragen, würde eine dem Anlass entsprechende gleichmäßige Lautstärke haben, nicht aber solche dynamischen Schwankungen. Hier liegt gewissermaßen ein verfremdetes Trinklied vor. Dafür, dass Alfred bewusst sein Trinklied verfremdet, gibt es keinen plausiblen Grund. Die Dynamik muss ihren Grund in dem verzauberten Gefühlszustand des Alfred haben, verzaubert von der magischen Ausstrahlung Violettas. Nur noch diese Ausstrahlung beseelt den verliebten Alfred, so dass er alles um sich herum vergisst und -sich ganz seiner Euphorie hingebend – ihre, Violettas, Ausstrahlung im Trinklied zum Ausdruck bringt. Das meint Felsenstein mit Hypnose.

Die erfolgreiche Erprobung ihrer Macht über diesen Mann verändert jedoch Violetta. Deswegen ist entscheidend, dass der Sänger des Alfred seine Strophe des Trinklieds in der Weise singt, dass ihm gerade die Präsenz Violettas dieses Trinklied eingibt. Er kann das Lied in dem Augenblick erfinden, weil er verzaubert ist. Weil ihr Erfolg bei der Verführung sich im Trinklied Alfreds darstellt, spiegelt es auch ihre Erregung.222

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vgl. Schlegel, Klaus: ›La Traviata‹. Die Handlungsführung der Inszenierung Walter Felsensteins an der Komischen Oper (1960), nach Probennotizen aufgezeichnet in: Jahrbuch der Komischen Oper II, Henschelverlag, Berlin 1962, S. 107. Schlegel, der Regie-Assistent dieser Inszenierung, beschränkt sich auf die Handlungsführung, die ausgesprochen klar geschildert wird, und gibt keine detaillierten Auskünfte über den Bezug der Handlungsführung zur Musik.
So wird es zur Bedingung für den Wandel Violettas. Felsenstein

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