- 126 -Homann, Rainer: Die Partitur als Regiebuch 
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Zwar wird für den Zuschauer auf der Opernbühne singend gehandelt, jedoch nicht, um ihn nur zu unterhalten. Der ›handelnde‹ Sänger

»weiß, daß die Schönheit eines wohllautenden Organs auf nichts anderem als auf der Wahrheit seiner menschlichen Aussage beruht.«163

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Felsenstein, Schriften, S. 142

Wenn der Sänger handelt, wird die Schönheit seiner Stimme demnach zum Ausdrucksmittel. Ziel einer Handlung sei es laut Felsenstein, den Zuschauer mittels der ›Wahrheit einer menschlichen Aussage‹ zu ergreifen. Auf diesen Zweck der Kunst befragt eine Handlungsanalyse ein Stück, wenn ihr obiger Handlungsbegriff zugrunde liegt. Situationen, die diese Ergriffenheit erzeugen, sind samt ihrer jeweiligen Genese im Stück von einer Analyse zu erfassen. An seinem Handlungsbegriff tritt wiederum der idealistische Kern der Theaterauffassung Felsensteins zutage.

Auch wenn Felsenstein betont, dass sich sein im und für den Bereich des Musiktheaters entwickelter Handlungsbegriff nicht von dem anderer Theaterformen, namentlich dem des Sprechtheaters, unterscheide164

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vgl. ebd., S. 141
– was konsequent ist, wenn man ›Handlung‹ als ›für jegliches Bühnendasein bestimmende Kraft‹ bestimmt –, sollen doch einige Besonderheiten, die sich für den Handlungsbegriff aus der musikalischen Qualität des Musiktheaters ergeben, kurz behandelt werden. Die eine Handlung konstiuierenden Vorgänge auf der Bühne des Musiktheaters sind keineswegs vorrangig sprachlich bestimmt, sondern theatralische Vorgänge, die dem Anspruch der Kunstform Musiktheater, Musik und Text zu vereinen, genügen müssen. Wenn sie dies leisten, Musik und Text im theatralischen Vorgang zur Synthese bringen, realisieren sie eine musikdramatische Handlung. Folglich ist das Attribut des ›Dramatischen‹ weder primär dem Text zuzuordnen, noch ist zu unterschlagen, dass der Text einen ›Teilmoment der Handlung‹165
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In der Untersuchung von Richard Wagners Theorie des Dramas weist C. Dahlhaus zurecht darauf hin, dass, wenn man anerkennt, dass Text und Musik Teilmomente einer theatralischen Handlung sind, es nicht genüge, das Wort-Ton-Verhältnis zu analysieren. Insofern erweist sich Felsensteins Erweiterung des Handlungsbegriffs nicht als pragmatische Setzung eines Opernregisseurs, sondern als ihrem Gegenstand, der Kunstform Oper, durchaus angemessen. Vgl. Dahlhaus, Carl: Wagners dramatisch-musikalischer Formbegriff, in: ders.: Vom Musikdrama zur Literaturoper, München 1989, S. 67ff.
darstellt. Wenn also »die dramatische Handlung alle körperlichen, vokalen und auch instrumentalen Äußerungen bestimmt«, dann bleibt die Frage bestehen, wie Felsenstein bei einer Handlungsanalyse vorgeht. Wie erfasst er die musikdramatischen Qualitäten der Musik und wie lässt er diese ›körperlich‹ werden? Wie gestaltet sich bei ihm das Verhältnis von Text und Musik im Hinblick auf eine Inszenierung?

Aus der Analyse der Musikästhetik Felsensteins ist – vorläufig durchaus simplifizierend – zu folgern, dass die musikalische Seite einer Szene eher die Innerlichkeit der Charaktere vermittelt und sich in körperlichem und Gesangsgestus niederschlägt, während die Analyse des Textes sowie die aus ihm entfaltete Vorgeschichte etwas über die äußere ›Faktenlage‹ der jeweiligen Situationen verrät. Sehr prägnant hat der stilbildene Theaterregisseur K.S. Stanislawskij diesen Wesenszug des Musiktheaters gefasst:


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