- 127 -Homann, Rainer: Die Partitur als Regiebuch 
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»Ihnen [den Opernkünstlern] sind Rhythmus und Ton gegeben. Der Komponist hat ihnen gesagt, wie sie ihrem Partner zu antworten haben. Aber dieses Wie enthält noch nicht alles. Der Komponist liefert die Form, das heißt, die Musik malt das Wie, genau so, wie man mit Worten das Was ausspricht. Anders ausgedrückt: Die Musik wird immer wie sein und die Sprache was166
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in: Vallentin, Maxim (Hrsg.): Studioarbeit mit Stanislawski, Schriftenreihe für das neue deutsche Volkstheater, Verlag Bruno Henschel und Sohn Berlin 1951; S. 114

Damit ist keinesfalls der Trennung der Elemente des Musiktheaters das Wort geredet, sondern es sind Parameter für eine Handlungsanalyse benannt, deren Zweck ist, die Elemente in ihrer Verwiesenheit aufeinander näher zu bestimmen. Nur so wird man der komplexen Kunstform Oper gerecht, denn

»das Wesentliche [...] ist jene Synthese aus dem wie und dem was, jener lebendige Schauspieler, der in die Antwort sein Leben gelegt hat, weil Musik und Wort für ihn bereits eins geworden sind.«167

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ebd.

Es sei also für die folgende Darstellung und Untersuchung der Analyse-Methodik Felsensteins als Leitfaden festgehalten, dass die Analyse musikalischer Elemente des Musiktheaters zumindest tendenziell Fragen nach den ›Innenwelten‹ der Figuren behandelt, während das sprachlich bestimmte Element des Librettos eher Auskünfte über die Zwecke der handelnden Personen, die Stanislawski als das ›Was‹ formulierte, gibt. Jedoch soll nochmals betont sein, dass die Trennung von ›emotionaler‹ Innenwelt und ›rational-gegenständlicher‹ Zwecksetzungen der Figuren sich bei genauer Betrachtung als konstruiert erweist. Vielmehr stellt die Kunstform Musiktheater genau diesen Zusammenhang zwischen Innenwelt und Handlungsgefüge in ihren Kunstwerken her.

Der Gang der Handlung bringt die Figuren in eine bestimmte Situation, die die betreffende(n) Figur(en) in einen emotionalen Zustand versetzt, aus dem wiederum neue Zwecke sowie deren Verfolgung resultieren.168

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vgl. Felsenstein, Schriften S. 120f.
Insofern hat das musikalische Kunstwerk nicht schwerpunktmäßig den Gang der Handlung zum Inhalt, sondern,

»die innere Seite der Empfindung, die einzelnen und allgemeinen Stimmungen in den verschiedenen Situationen, die Konflikte und Kämpfe der Leidenschaften zu ihrem Hauptinhalt (nimmt), um dieselben durch den vollständigsten Ausdruck der Affekte nun erst vollständig herauszuheben.«169

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Hegel, Ästhetik Bd. III, Frankfurt/Main 1996, S. 213

Auch wenn diesem Gedanken unschwer seine Zugehörigkeit zum romantischen »Rückgang der Musik in die ›Innerlichkeit‹«170

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Dahlhaus, Carl: Die Idee der absoluten Musik, Bärenreiter-Verlag, Kassel, 1978, S. 100
anzumerken ist, so lässt sich gerade aus dem Hegelschen Begriff der ›Empfindung‹ als die mit einem Inhalt gefasste Bewegung des Selbst171
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vgl. Kap. 3.1.1 der vorliegenden Arbeit: »Felsensteins Musikästhetik«
die Notwendigkeit einer – konkretisierenden – musikalischen Handlung entwickeln, einer »meinenden Sprache« (Adorno), die trotzdem der musikalischen Welt verhaftet ist.


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