- 11 -Homann, Rainer: Die Partitur als Regiebuch 
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Walter Felsenstein – die theatertheoretischen Grundbegriffe der ›Einfühlung‹ und ›Verfremdung‹ erläutert werden. Danach wird Felsensteins schauspielmethodische Auffassung der ›Einfühlung‹ an seiner praktischen Arbeit mit dem Sänger verdeutlicht.

Der 2. Teil beginnt mit einem Rückgriff auf Hegels Musikästhetik, die in ihrem Ausgangspunkt mit Felsensteins Auffassung vom Kunstwerk Oper identisch ist. Weil Hegel insbesondere die Frage nach der Konkretheit musikalischer Prozesse grundsätzlicher und ausführlicher reflektiert, können mit diesem Rückgriff die musikästhetischen Implikationen des Musiktheaters Felsensteins diskutiert werden. Danach werden seine vier Fernsehverfilmungen22

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Felsenstein hat darüber hinaus 1956 einen ›Fidelio‹-Film (Drehbuch: Walter Felsenstein und Hanns Eisler, ML: Fritz Lehmann, Bauten: Rochus Gliese und Leo Metzenbauer, 1956 Wien-Film) gedreht. Felsenstein selbst hat sich aus mehreren Gründen von diesem Kino-Film distanziert: Während der Herstellung wechselte die Produktionsfirma. Die neue Firma zwang ihn, auf bestimmte Aufnahmen aus Kostengründen zu verzichten und Archiv-Aufnahmen zu nehmen. »Das Schlimmste aber war, daß das Kopierwerk dann aus der brillantesten Schwarzweißfotografie, die es je gegeben hat – das war wirklich Hajérs Steckenpferd! – eine graue Soße gemacht hat.« (vgl. Verband der Theaterschaffenden der Deutschen Demokratischen Republik (Hrsg.): Nicht Stimmungen, sondern Absichten. Gespräche mit Walter Felsenstein, Berlin, 1986, S. 70f.) Felsenstein stellt zu diesem Werk fest, »dies [ist] der einzige Musikfilm, den ich je gedreht habe, wenn auch mit einigen Fehlern« (ebd.). Mit der Benennung als »Musikfilm« unterschied Felsenstein diesen Film prinzipiell von seinen anderen Opernverfilmungen. Der Grund dafür liegt in den Vorgängen, die der Film zeigt: Nachdem beispielsweise Pizarro auf einem hohen Turm steht, sieht man im weitaus längsten Teil seiner Arie mit Männerchor Nr. 7 (»Ha, welch ein Augenblick«) Unwetter und Naturkatastrophen, Sturzbäche, mitgerissene Bäume, etc. Auch wenn für diese Filmszene durchaus musikalisch-dramatische Begründungen möglich sind, haben diese Vorgänge nichts mit theatralischen Vorgängen gemeinsam. Überhaupt werden in den meisten Arien Vorgänge filmisch dargestellt, die den Vorstellungen der jeweiligen Figur entspringen, mehrere lange Postkutschenfahrten und Botenritte werden zu Musik gezeigt. Es gibt Wunschtraum-Sequenzen, die an völlig anderen Spielorten geschehen, usw. Darum ist festzuhalten, dass über weite Strecken Felsensteins ›Fidelio‹-Film eine Handlung zeigt, die das Theater nicht zeigen könnte, weil sie einer genuin filmischen Gesetzen unterliegenden Phantasie entspringen. Die vorliegende Arbeit schließt sich deshalb der von Felsenstein selbst vorgenommenen Abgrenzung an und beschränkt sich in ihrer Auseinandersetzung auf die theoretischen Äußerungen zum Theater und Opernverfilmungen, die für das Theater gemachte Inszenierungen bzw. zumindest deren Konzepte dokumentieren.
von Opern unter verschiedenen Aspekten daraufhin untersucht, wie das Verhältnis von Musik und Szene dort beschaffen ist. Anhand der ›Othello‹-Verfilmung kann verdeutlicht werden, inwiefern Felsensteins Auffassung, Musik sei Handlung, es nötig macht, dass Musik einer Figur ›gehört‹, Musik im Musiktheater individualisiert wird, ohne dass die Szene die Musik verdoppelt. Am ›Hoffmann‹-Film werden die analytischen und szenischen Konsequenzen des Begriffs der »musikalischen Handlung« (Felsenstein) für das Verhältnis von Musikdramaturgie und Handlung aufgezeigt. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung mit den nächsten beiden Filmen stehen darstellungsästhetische Fragen. Erstens gilt die Aufmerksamkeit dem Stilmittel der Parodie, das als Grundelement in Felsensteins ›Blaubart‹-Film einem Illusions-Theater widerspricht. Zweitens geht es um die Stilisierung, die anhand des gegen Felsensteins Inszenierung Janaceks Oper ›Das schlaue Füchslein‹ erhobenen Vorwurfs, naturalistisches Theater zu sein, diskutiert werden soll.


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