- 74 -Hinz, Christophe: Analyse und Performance mit der Software RUBATO 
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es möglich zu behaupten, dass Pollini in dieser Etüde fast kein (eindeutiges)1

1 Es muss an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen werden, dass aufgrund der benutzten Messmethode nur die am meisten auffallenden agogischen Abweichungen in Betracht gezogen wurden.

rubato benutzt, Sokolov und Lugansky ebenfalls relativ wenig, wogegen Fialkowska und Lortie häufige und starke agogische Verformungen des Notentextes vornehmen.

Die ersten vier Takte beinhalten ein lokales interpretatorisches Problem, nämlich die Frage, wie lange man die mit Orgelpunkten versehenen Noten halten sollte. Eine approximative Messung der Dauer des ersten Orgelpunktes (T. 2) ergab, dass ihm Fialkowska und Lortie die Dauer einer ganzen Note (statt einer halben), die anderen Pianisten die einer punktierten halben Note gegeben haben. Auf der letzten Viertelnote von T. 4 merkt man jedoch stärkere Abweichungen; die Dauer dieser Note wird bei Lugansky, Pollini und Sokolov etwa verdoppelt, bei Lortie verdreifacht und bei Fialkowska vervierfacht.

Unter agogischen Gesichtspunkten ist jedoch die Betrachtung der dritten Viertelnote am interessantesten. Wie Abbildung 5.4 verdeutlicht, ist hier rein grafisch gesehen auch ein Orgelpunkt – in der rechten Hand – gegeben, der aber eigentlich erst eine Viertelnote später eintritt. (Hätte Chopin nämlich auf der dritten Viertelnote ebenfalls einen Orgelpunkt gewollt, hätte er ihn in allen Stimmen geschrieben!) Die Dauer dieser dritten Viertelnote wird von allen Pianisten ungefähr verdoppelt, mit Ausnahme von Lortie, der sie fast ohne Tempoabweichung spielt. Es besteht zwar die Möglichkeit, die Verdopplung der Notendauer als starkes rallentando zu betrachten, aber ich glaube, dass besonders in diesem schon sehr langsamen Tempo Lorties Interpretation den Notentext am besten respektiert, und dass die vier anderen Pianisten sich von der ungünstigen grafischen Lage des Orgelpunktes haben täuschen lassen.



Abbildung 5.4: Etüde Nr. 11, T. 4. Grafisch täuschende Lage des Orgelpunktes (Oberstimme).


Alle eindeutigen Abweichungen zum Urtempo, die in den fünf betrachteten Performances (T. 5–95) der Etüde Nr. 11 gefunden wurden, sind in Tabelle 5.4 zusammengefasst.




Takt(e)
Pianist
Art der Abweichung



5

Lortie, Lugansky

Leichte Verzögerung der ersten Noten




8/9

Lortie

Leichte Atmung


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