- 6 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
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Krzysztof Penderecki Werke beigetragen haben, um nur die wichtigsten Vertreter zu nennen?

Die Mahler-Forschung der achtziger und neunziger Jahre hat sich diese Interpretationskonstante jedoch nicht zu eigen gemacht. Bernd Sponheuer kritisierte schon 1978 diese Interpretation: Er sprach davon, Redlich spiele die Botschaft des Werkes auf eine autobiographische und zugleich unverbindlich »philosophische« Ebene herunter, was an der musikalischen Wirklichkeit der Symphonie keine Stütze habe.22

22
Bernd Sponheuer, Logik des Zerfalls. Untersuchungen zum Finalproblem in den Symphonien Gustav Mahlers, Tutzing 1978, S. 351.
Die Interpretation Redlichs, die hier zur Diskussion steht, ist aber nicht in erster Linie autobiographisch oder philosophisch, sondern dezidiert politisch! Hermann Danuser wies 1991 diese Interpretation zurück, indem er ausführte, daß sich »eine ethisch-politische Verwurzelung von Mahlers Kunst historisch nicht aufrecht erhalten läßt«23
23
Hermann Danuser, Gustav Mahler und seine Zeit, Laaber 1991, S. 293.
. In dieser Eindeutigkeit muß das bezweifelt werden, denn zentrale Zeitzeugen wie etwa Bruno Walter24
24
Vgl. Bruno Walter, Gustav Mahler. Ein Portrait (1936), Taschenbuchausgabe Wilhelmshaven 1981, S. 97–113.
und Richard Specht postulieren entschieden die ethische Ausrichtung der gesamten Musik Mahlers: »Mahlers Werk und seine Symphonik vor allem ist die musikalische Bergpredigt unserer Generation.«25
25
Richard Specht, Gustav Mahler, Berlin und Leipzig 1913, S. 159, vgl. auch S. 158–162 und S. 45f.
Die Zeugnisse einer politisch-gesellschaftlichen Orientierung Mahlers sind zwar nicht stark hervortretend, aber sie lassen sich dennoch aufzeigen (vgl. Kapitel II). Die unentschiedene Haltung der Forschung hinsichtlich dieser Interpretation zeigt sich bei Rudolf Stephan. Er referierte sie 1991 als eine gegebene Position der Vergangenheit:

»Es ist von Vorahnung des kommenden privaten Unglücks und allgemeinen Unheils gesprochen worden. [...] Jedenfalls war es die Stimmung, in der die Symphonie den Hörer entläßt, also der Verzicht auf ein triumphales Ende, auf eine richtige Apotheose, die gerade diesen Satz, der ohne Frage etwas ganz Außerordentliches darstellt, einen Interpreten wie Adorno besonders fesselte. [...] Es lohnt sich allemal, die feinen musikalischen Beobachtungen Adornos und seine daraus gezogenen Schlüsse zu bedenken, gerade wenn man diese nicht alle teilt.«26

26
Rudolf Stephan, Die sechste Symphonie, in: Programmheft des Berliner philharmonischen Orchesters 19./20. Mai 1991, S. 661.

In der Lakonie von Stephans eigener Darstellung des Katastrophenschlusses gelangt die Ungewißheit und Zurückhaltung zum Ausdruck, das außerordentliche Ende der Symphonie zu erklären: »Es ist ein knappes Nachspiel deprimierter Stimmung, vielleicht ein Bild der Vergeblichkeit.«27

27
Ebd. S. 663.

Eine eigentliche Auseinandersetzung mit jener Position hat nicht stattgefunden – sie scheint nach dem Tode Redlichs, Adornos und Ratz’ (1968, 1969 und 1973) ohne eine argumentative Zurückweisung schlicht ad acta gelegt worden zu sein, um formgeschichtlichen Untersuchungen Platz zu machen. Sicher birgt diese Position


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