Einen Satz wie das Finale der sechsten Sinfonie innerlich aufzubauen, gehört zu den schwierigsten Aufgaben moderner Dirigierkunst, Generalmusikdirektor Schuricht aus Wiesbaden, dem man immer gern als Gast am Dirigentenpulte der Philharmonie begegnet, durchdrang mit seinem musikalischen Temperament die vier Teile und beherrschte den großen Orchesterapparat mit der Überlegenheit eines gründlichen Kenners der Partitur. [D30/A] Die Aufführung – um dies gleich vorwegzunehmen – war hinreißend schön und ließ kaum Wünsche offen. Man war dem anspruchsvollen äußeren Apparat des Werkes vollauf gerecht geworden [. . . ] Diesen großen Klangkörper beherrschte Schuricht in wundervoll suggestiver und überlegener Weise. [. . . ] Glanzstücke wurden unter Schurichts Leitung das Finale und der langsame Satz [. . . ] Diesen Teilen eignete Wucht und tragische Größe. Der erste Satz mit den ehern hingehämmerten Marschrhythmen und das bitterironische Scherzo [. . . ] ließen allerdings Unebenheiten des Zusammenspiels erkennen. Aber das waren nur belanglose Kleinigkeiten. [D30/B] Schuricht hat den Sinn für die theatralischen Wirkungen dieser Mammut-Sinfonie [. . . ] Mit den wieder ausgezeichnet eingespielten Philharmonikern brachte er es oft zu großartigen, rhythmisch und dynamisch effektvoll gegliederten Klangwirkungen, die dem Hörer imponieren mußten. [D30/C] die Wiedergabe der »Sechsten« unter Anton Webern an der Spitze des Symphonie-Orchesters. Ein ausgezeichnetes Verstehen des Einzelnen und doch kein Verwischen der großen Konturen. Geist vom Geiste und Herz vom Herzen. Für das stichflammartig Fanatische Weberns die Möglichkeit des sich völligen Ausschöpfens. [W30b/A] Die Wiedergabe des Werks stellt an die physischen und geistigen Kräfte eines Orchesters und seines Dirigenten unerhört hohe Ansprüche. Man wird den Dresdner Philharmonikern, die auch vorzügliche Einzelleistungen zeigten – wir nennen für die Streicher den Konzertmeister, für die Bläser den ersten Trompeter – das Lob nicht versagen, daß sie dem klar und zielbewußt auf das Nächste gehenden Gestaltungswillen des Herrn Carl Schuricht ein jede Anregung mit feinem Verständnis aufnehmendes Werkzeug waren. Sie haben uns einen Abend wertvoller Anregungen gegeben, für den wir dankbar sind. [Ha31/A] Die Aufführung der Sechsten im 4. philharmonischen Konzert – die vornehm musizierte H-Moll Schuberts ist ihr vorausgegangen – war Größe und Leidenschaft. Clemens Krauß weiß die Steigerungen auf weite Sicht vorzubereiten. Mit der Häufung der Steigerungen, die isch aber immer wieder als Vorstufen der zu erwartenden ganz großartigen Steigerung entpuppen, die dann ausbleibt, ermüdet nach und nach der Gestaltungswille und selbst die Gestaltungsmöglichkeit des Dirigenten und seines Orchesters und die Begeisterung der Zuhörer. [W33/A] Clemens Krauß ist für die Aufführung zu danken. Sie hatte Haltung und Format. Die ungeheuren Anforderungen, die die Symphonie an die formale Gestaltungsgabe und an die Klangphantasie des Dirigenten stellt, wurden erfüllt. Gleich der erste Satz (von Krauß etwas langsamer genommen als wir ihn uns vorstellen) war voll der tragischen Energie und Entschlossenheit; seine schönste Stelle, das wundersame, von Herdenglocken begleitete Entschreiten in letzte Geisteseinsamkeit, hatte ganz die mystische Klangaura. Doch auch die sanfte Schwermut des zweiten, die Dämonie des dritten Satzes, die niederschmetternde Wucht des Finale fand in Krauß den wissenden Mittler. [W33/B] Die oft so brillanten Orchesterfarben der Sinfonie kommen natürlich prächtig ans Licht, ebenso die solistischen Partien. [W33/C] [Ein Schulbeispiel] für den symphonischen Atem des Dirigenten. Diesen letzten Satz bis zum Pizzikato durchzuhalten, ohne einen Moment die Führung der ununterbrochenen Linie nach aufwärts zu verlieren, ohne die unermüdlichen Ruhepunkte als bequeme Atempause mißzuverstehen und damit den Faden ein für allemal zu verlieren, die Steigerungen immer noch zu übergipfeln, die Ekstasen und Streicherstürme, alles schließlich zu übertrumpfen im Schlußjubel einer ohrenbetäubenden Klangorgie, die als letzte Möglichkeit auf den Nerven zerrt – dazu gehört eine Überlegenheit des Könnens, wie sie nur ganz wenige besitzen. Dieser angeblich »zerfahrene, zerfallende, mosaikartige, wildwüste Satz« stand da wie die Offenbarung eines Großen, der im grenzenlosen Idealismus seines Wollens in die Sterne reicht, und eines nachschaffenden Künstlers, der ihm auf seinem Sternenflug zu folgen vermag. [W33/D] Sieg war jedenfalls der Darstellung beschieden. Clemens Krauß hat sich auch in dieses Werk verbissen, in Mahlers Satanik mit seinem Dirigierfanatismus, der auch ein Diabolisches hat. Er
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