Professor Krauß und das Opernorchester ließen es an stark interessierter Hingabe an die phantastisch überhitzte Musik nicht fehlen; das Musikantische darin, das unbekümmerte Drauflosmusizieren, das ständige Einmischen neuer Farben in das Auf- und Nieder beachtenswerter und auch alltäglicher Einfälle und Melodiewendungen, das beim Publikum immer wieder Eindruck macht, wurden gefällig und mit prächtiger Tongebung, auch in den zarten und schwierigen Bläserstellen, z. B. in dem lyrischen Zusammengehen von Horn und Klarinette, dargeboten, in den heißen Entladungen dagegen herrschte die löbliche Tendenz vor, das grell Aufgebauschte wenigstens nicht heftiger aufzutragen, als der musikalische Gedankengang und die Zielrichtung als mittleres Maß erforderte. So blieb die Wirkung denn auch hübsch bei menschlichen Maßen, ohne ins Kosmische zu wachsen, wie das die bedingungslosen Bewunderer solch ernst gemeinter, aber doch auch spekulativ und ungesund hinaufgeschraubter Gefühlsekstasen so gerne nennen. [F26/C] Ueber die Aufführung des Riesenwerkes durch unser Orchester ist kein Wort des Lobes zuviel gesagt. [. . . ] Die unerhörten Schwierigkeiten der Partitur wurden technisch und klanglich glänzend gelöst und Prof. Dr. Raabe hatte nicht nur für die Beachtung der kleinsten Vorschriften, die Mahler in seinen Symphonien reichlich gibt, gesorgt, sondern auch ihren Geist lebendig gemacht. [. . . ] Der klare Aufbau der Sätze neben der inneren Anteilnahme und dem Schwung von Raabes nachschöpferischer Gewalt erleichterte das Hören und die gefühlsmäßige Aufnahme des Werkes. [A26/A] Unter Professor Raabes hingebungsvoller Nachschaffung konnte das anderthalbstündige Werk bis zuletzt fesseln. Das [. . . ] Werk wurde von Orchester glänzend gespielt. Die hart nebeneinanderstehenden Stellen von visionärer Ekstatik, oratorischem Pathos und sentimental-lyrischem Monolog gewannen eine lebendige Gestaltung. [A26/B] Die Aufführung am Dienstag war die vollendetste, die ich je von der »Sechsten« hörte. Das würde wenig sagen ohne die Erklärung, daß ich die »Sechste« von den ersten Orchestern Deutschlands gehört habe. Die Masse mag nicht begriffen haben, worum Abendroth mit seinen Getreuen gerungen hat, man darf ja auch bekanntlich keine Perlen vor die Masse werfen, ich aber bin den Kämpfern und Siegern dankbar. In Erwartung dieses Erlebnisses habe ich mir Brahms’ Schicksalslied versagt. Mir genügt für einen Abend, ja für eine Woche Mahlers »Sechste«, und ich weiß, wer sie so bezwingt wie Abendroth mit den Seinen, der meistert auch das »Schicksalslied«. [K27/A] Das Werk stellt Dirigent und Orchester vor Aufgaben von unerhörter Schwierigkeit. Abendroth [. . . ] brachte das Werk klar, plastisch und großzügig, den Koloß des Schlußsatzes in gewaltiger Steigerung heraus; das glänzende Orchester zeigte sich wieder einmal auf dem Gipfel seines Könnens. [K27/B] H. Abendroth hat uns das Mahlersche Weltbild mit ebensolcher Liebe und gleichem eindringenden Verständnis vermittelt wie das Brucknersche. Werden wir das Werk später einmal in der großen Halle hören? Einmal ist keinmal. In der geistigen Überschau und Zusammenfassung, in der musikalischen Verdeutlichung des thematischen Geflechts, wie es beim mittlern Mahler für den Stil –kennzeichnend ist, in der Klangeinfühlung der Mahlerschen Vision wurde vom Dirigenten und seinem zu höchster Kunstleistung angetriebenen Orchester eine bewundernswerte Leistung vollbracht. [K27/C] unter Steinberg sehr eindringlich und unverstellt die »Sechste« von Mahler [kursiv], [. . . ] Steinberg ließ denn auch gerade den dichten und doch gegliederten Bau überaus deutlich werden. [F29/A] Für die künstlerische Qualität der Opernhauskonzerte bürgt [. . . ] die Persönlichkeit des neuen Leiters: Hans Wilhelm Steinberg. Das haben die [. . . ] Besucher des Eröffnungskonzertes gestern abend wohl einhellig gespürt und erkannt. [. . . ] Er gab dieser ans Maßlose streifenden Klangarchitektur viel Intensität der Linien und Rhythmen, viel Klarheit und Schönheit der Instrumentalfarben, viel Spannkraft der Harmonik und der Form. Und zwar so viel als nur immer möglich ist, um die großen Intentionen dieser Musik erkennen zu lassen und andererseits den Hörer über den Widerstreit der Riesenmaße und der geringen Expansivkraft der Gehalte glimpflich hinwegzuführen. [F29/B] Mahlers Sechste lag dem ausgezeichneten Dirigenten Reichwein besser, als wir erdacht hätten. Er konnte sich in der monumentalen Wucht dieser Schöpfung, in ihren eigenwilligen Stilkreuzungen und expolsiven Steigerungen so recht ausleben und die Innigkeit der langsamen Teile fand in ihm den denkbar besten Interpreten. [W30a/A] Auch die Interpretation verdient ebenso Anerkennung. [W30a/B]
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