- 374 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
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seinen reichen Fähigkeiten bewährten Orchester zielklare und hingebend sorgsame Vorarbeit geleistet worden war. [. . . ] Wobei nicht übergangen werden kann, daß – abgesehen von der raumgemäß etwas unmittelbaren Wirkung der außergewöhnlichen instrumentalen Mittel, mit denen sich Mahler da und dort übersteigert –, eine durchweg schärfere Profilierung der namentlich in den Ecksätzen sehr klaren Linienführung des Werkes den Eindruck wesentlich erleichtert und damit vertieft hätte. Im letzten Satz insbesondere schien die Struktur recht verschwommen, wozu kam, daß eine (z. B. im Scherzo) da und dort zerdehnte Tempoeinstellung den klanglichen Effekt auflöste. [Ka24/B]
Das verstärkte Landestheater-Orchester hatte einen großen Tag. Kein Wort des Lobes ist zu hoch angesichts der Meisterschaft, mit der das Orchester die beiden gewaltigen Werke [zusätzlich Sinfonia domestica] spielte. Operndirektor Cortolezis verstand es ausgezeichnet, zunächst bei Mahler die vielverschlungenen Fäden dieser gigantischen Partitur klar zu legen. Eine leidenschaftliche Hingabe sprach aus seinem Dirigieren; die übertrug sich auf Orchester und Hörer. Ein fortreißender Zug war allenthalben fühlbar. Prachtvoll, wie Cortolezis die immer neuen gewaltigeren Steigerungen im Finale sicher erfaßte und vermittelte. [Ka24/C]

Es gereicht dem badischen Landestheaterorchester zu ehrendem Ruhm, daß es unter Heranziehung zahlreicher hiesiger und auswärtiger Kräfte die Erstaufführung des gigantischen Werkes ermöglichte und zwar in einer Form, die aller Anerkennung wert war. Durch Fritz Cortolezis wurde das in seinem Ausmaß verwirrende Bild der Partitur verdeutlicht und zumal im letzten Satz so erschöpfend dargestellt, daß eine geradezu niederschmetternde Wirkung nicht ausblieb, daß der Sinn des Werkes jedem der zahlreichen Zuhörer offenbar wurde, wenn auch das Wort als Träger der musikalischen Idee, zu dem Mahler sonst gerne greift, in dem so ungeheuer groß konzipierte Gemälde fehlte. [Ka24/D]

Klaus Pringsheim schuf diesmal – im Gegensatz zur 5. Sinfonie – eine wertvolle, gut gegliederte und liebevoll beleuchtete Wiedergabe. Es war eine der besten Direktionsleistungen, die er bislang zu bieten hatte. [B24/A]

Die Sechste stellt dem Dirigenten und Orchester eine besonders schwierige, geistig und physisch anstrengende Aufgabe; um so anerkennenswerter, wie Klaus Pringsheim und die mehr denn je überbürdeten Philharmoniker sie zu lösen vermochten. [B24/B]

Daß das [. . . ] Werk natürlich von den Philharmonikern gut vorgetragen wurde, bedarf keiner besonderen Versicherung. [B24/C]

Klemens [sic] Krauß brachte [. . . ] neben einer ausgezeichneten Aufführung von Mahlers Sechster [W26/A]

Aber es läßt sich nicht verschweigen, daß die Aufführung nicht gut war. Im dauernd gedehnten, zudem durch willkürliche Luftpausen und Ritardandi gehemmten Tempo verlor der erste Satz den bestimmenden Marschcharakter. Das Andante, als moderato bezeichnet und der Drängung bedürftig, schleppte ebenfalls, während doch der sinfonischsten und zugleich ausgedehntesten Mahler-Sinfonie gerade das straffe Maß nottut. Das Scherzo stellt Krauß auf den Kontrast zum Trio, das doch gar kein selbständig abgetrennter Formteil ist, sondern thematisch aus dem Scherzo hervorgeht und stets die Neigung zum Haupttempo bewahren muß. Das Finale geriet am besten; volle Plastik in der Disposition der Durchführungskomplexe ist von einem Dirigenten nicht wohl zu fordern, solange der Satz den Orchestern noch durchaus fremd ist. [F26/A]

Der Ausführung wandte Clemens Krauß mit dem Opernhaus-Orchester alle Intensität seiner dirigiertechnischen Kunst zu [. . . ] Es war eine Ausgestaltung der Klanginhalte, die alle Merkmale geschmacklicher Ausgeglichenheit, Oekonomie und Ziselierung trug: eine beachtliche, formal einwandfreie, dynamisch und rhythmisch fesselnde eigene Leistung. Nur das spezifisch Mahlerische: die glühende Leidenschaft des Ringenden, die gramvolle Tragik des Einsamen, die zuckende Sensibilität des erinnerungstief Gepeinigten – man durfte es in dieser von Dämonie wenig beschwerten Ausführung nicht suchen. Den Höchststand erreichte sie in den Mittelsätzen; das gewaltige Finale, allein schon von sinfonischem Ausmaß, gewann zwar klingende Gewalt. Aber das Klangliche ist hier nicht nur Ausdrucksplastik, sondern Symbol eines poetischen Geschehens, tönende Aussage visionären Gestaltungszuges. Und hier liegt die größte, vielleicht kaum lösbare Aufgabe für einen Gestalter am Pult. [F26/B]


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