- 307 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
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Die A-moll-Symphonie gibt in den Sätzen I, II und III dem Hörer weniger schwierige Probleme als manche der voraufgegangenen. [E06/L]

Und das ist es, was diese Sechste Mahlers hinter seiner Fünften zurückstehen läßt, daß man bei jener als rücksichtslose Größe empfand, was man bei dieser nur als große Rücksichtslosigkeit wahrnimmt. [E06/M]

da der erste Satz sich als bedeutend und Mahlers besten frühern Schöpfungen ebenbürtig von vornherein kennzeichnet. [E06/P]

Als vor vier Jahren die Tonkünstlerversammlung in Krefeld tagte, mußten selbst die, denen die Komponistenpersönlichkeit Gustav Mahlers durchaus antipathisch ist, zugeben, daß die Aufführung von dessen 3. Symphonie zum mindesten äußerlich den Höhepunkt des ganzen Festes bedeutete. Ein gleiches von der heurigen Uraufführung der 6. in Essen behaupten zu wollen, dürfte auch dem enragiertesten Mahlerianer nicht einfallen. [. . . ] Daß die 6. Symphonie Mahlers im Jahre 1906 nicht ebenso stark wirken konnte wie seine 3. im Jahre 1902, erscheint sehr begreiflich. Einmal war Mahlers Art und Weise, die ganz gewiß etwas verblüffendes und für geschmacksunsichere Beurteiler auch etwas Bestechendes hat, damals in Krefeld noch neu. Seitdem hat man mehr von dieser Musik gehört, und die Eigenart, die sie ohne Zweifel, wenn auch nur in der äußerlichen Form einer bloßen »Manier« besitzt, hat den Reiz der Neuheit verloren. Ihre Effekte, von denen Wagners Definition: Effektwirkung ohne Ursache vielleicht noch eigentlicher und gewiß noch uneingeschränkter gilt als von Meyerbeer, auf den sie gemünzt war, – sie sind allmählich schal und abgestanden worden. Die mit geringen Variationen immer in gleicher Weise wiederkehrenden Witze und Mätzchen fangen an vieux jeu zu werden und man fühlt sich ganz einfach gelangweilt. Dazu kommt noch ein zweites: von den sechs Symphonien, die Mahler bisher geschrieben, ist die 3. eine der stärksten, die sechste nach der 4. wohl die schwächste. Mit ihren Schwestern verglichen, sagt sie nichts, was man aus jenen nicht schon längst kennte, und sie sagt dieses längst Bekannte weit weniger eindringlich und überzeugend als etwa die 2. oder 3. Sie ist in keiner Weise das Dokument einer aufsteigenden Entwicklung, es müßte denn sein, daß man die Bereicherung des Symphonieorchesters um Herdenglocken und Hammerschläge als Zeichen musikalischen Fortschritts ansehen wollte. [E06/S]

Das Werk [. . . ] steht an Wert weit ab von den früheren Werken des Wiener Operndirektors [E06/T]

Ich habe jetzt 4 der Mahlerschen Riesenwerke gehört, und meine Bewunderung vor ihnen, die nach der c-moll recht erheblich war, ist gradatim, gleich dem inneren Wert dieser Werke, gesunken. Es gibt Menschen, deren mit breiter Eloquenz, mit technischer Gewandheit vorgetragenen Ansichten man einen Abend hindurch mit Vergnügen lauscht; kommen diese Leute aber immer wieder mit derselben Weisheit, nur in immer auf- und vordringlicherer Form, mit immer größerem Aplomb und Selbstgefälligkeit, nur immer lauterem Vortrag ihrer Gemeinplätze, so fühlt man sich schließlich angewidert und geht ihnen aus dem Wege. In dieser Lage befinde ich mich allmählich Mahler gegenüber. [E06/U]

Wie im Ecksatz der V. ein Trauermarsch mit magiarischem Seitenthema, so herrscht in den Ecksätzen der VI. eine heroische Melodik im kriegerischen Marschrhythmus vor. [E06/V]

In dem »altväterischen« Mittelsatze wechseln die Taktarten 3/8 4/8 2/1 3/4 sehr häufig miteinander, so daß die behagliche Ruhe, die dieser Teil atmen soll, kaum genügend zur Geltung kommt. In dieser Beziehung ist dem Komponisten der heitere Satz in seiner C-moll-Symphonie besser gelungen. [E06/X]

Die 6. Symphonie ist einfacher und in ihren Themen wie im Bau ihrer Sätze als die zweite, dritte und fünfte [Sb. sic], und wird trotz der ausserordentlichen Anforderungen ihren Weg vielleicht schneller machen, als manche ihrer Vorgängerinnen, eben um ihres leichtern Inhalts wegen. [E06/a]

Aber ihm ist hier doch wieder einmal ein erster Satz gelungen, den man getrost neben den ganz bedeutenden ersten der dritten Sinfonie stellen kann. [E06/f]

Daß sich dessen große Tonschöpfungen in aufsteigender Linie bewegen, kann selbst von seinen besten Freunden und größten Verehrern nicht behauptet werden. Wohl noch weniger als die fünfte und seinerzeit von Nikisch dargebotene Symphonie vermag diese sechste zu befriedigen. [B06/E]

Bei aller Bewunderung für das große Können des Komponisten, für sein rücksichtslos ernstes Streben und nicht zuletzt für die geistvolle Art seines Musizierens und die Fülle seiner Einfälle im kleinen und auf technischem Gebiete, läßt mich das Ganze im Innersten kalt. [B06/H]


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