- 298 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
  Erste Seite (i) Vorherige Seite (297)Nächste Seite (299) Letzte Seite (410)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 


Das Maßlose in Form und Aufwand der Mittel, selbst wenn es ästhetisch zu rechtfertigen wäre, würde eine andere Erfindungskraft zur Voraussetzung beanspruchen, als sie Mahler zur Verfügung steht. [B06/C]

in der so viel Arbeit und so wenig Erfindung steckt. – Wie viel wollte der Tonsetzer wohl sagen, und wie wenig hat er nur gesagt: Und das wenige verstand ich nicht einmal. »Bist du beschränkt, daß neues Wort dich stört?« fragt Goethe. [B06/F]

Vom Werke aber muß man im ganzen sagen, es enthalte zu wenig Musik. Die Erfindung ist gering. [B06/G]

Merkwürdig sind die Gegenüberstellungen von Höhepunkten impressionistischer Tonmalerei zu simplen, ja banalen und nicht gerade unbekannten Phrasen. [B06/L]

Mahlers starke Seite war ja nie eine kraftvolle Urwüchsigkeit und Selbständigkeit in der Erfindung; aber gerade in dieser neuen Symphonie will es scheinen, als ob er es damit sich ein bischen sehr leicht gemacht hätte. [M06/E]

Denn Mahlers tondichterische Erfindung, seine musikalische Phantasie sind mit diesem monströsen Werk auf ein erschreckend tiefes Niveau gelangt. [. . . ] die musikalische Armut der Gesamtanlage [. . . ] Das Werk verliert wie alle aufgebauschten Hohlheiten bei näherem Zusehen. [M06/H]

Mahlers Musik entzündet nicht, sie rüttelt mehr auf; und diese Wirkung ergibt sich selten aus dem Inhalt der musikalischen Rede, sondern fast einzig und allein aus der glänzenden, verblüffenden Rhetorik ihres Vortrags [W07/A]

eine unüberwindliche Schwäche an positiver schöpferischer Erfindung [. . . ] Einen musikalischen Einfall origineller oder bedeutender Art würde man in den Klangorgien vergeblich suchen, es sei denn, daß man den merkwürdigen Verwandlungsdreiklang von Dur in Moll [. . . ] als eine Übertrumpfung der leeren Quinte in der »Neunten« Beethovens nehmen und ihm eine »symbolische Bedeutung« unterlegen. [W07/C]

Indes ist er ein sehr bescheidener Musiker, trotz der Pracht und des Riesenlärmes im Orchester. Er hat wenig zu geben, Nichts, was, der Aeußerlichkeiten entrathend, hinreichte, den Athem zu verschlagen. Die ganze Kunst des Componirens steckt jetzt in einer falschen Gegend. Sie sieht zuerst die Dimension, die Fläche, die großen Conturen, spürt die Kraft der Technik und legt los. Alles wird auf den Zufall componirt, auf das gute Glück. Diese »Sechste« ist förmlich ein Cardinalbeispiel dafür. Sie springt complett aus einer erhitzten, einer theatralischen Phantasie. Hat durchwegs die Alluren eines Menschen, der seine Künste zeigt, der ohne Unterlaß ruft: »Passen sie auf!« Die Ueberraschung kommt nicht aus genialen Gründen, sondern aus dem System einer Manier. Dabei kann ein Musiker, der nicht für irgend ein Theaterbedürfnis Musik macht, unmöglich übersehen, daß es sich hier um eine ganz leere, ganz äußerliche, ganz willkürliche Art, Noten zu schreiben, handelt, eigentlich um eine unmusikalische und ignoble Umgangssprache mit dichterischen und malerischen Illusionen. [. . . ] Es ist manchmal, als wären alle die großen Beispiele aus der Vergangenheit vergessen und verthan, als wäre die Kenntnis dessen, was den Ewigkeitswerth einer Musik ausmacht, völlig verschwunden. Als wäre die oberste Weisheit in Verstoß gerathen: alle Musik komme aus einer Noth, aus einer Überfülle des Herzens. Und nicht aus dem Gedrängel eines nervösen Naturells! Ich kenne die Einwände der Enthusiasten. Wir hätten nur noch nicht die rechten Ohren für Mahler, müßten sie erst erwerben. Falsch. Es gibt hunderte Ohren in Wien dafür. Man muß nur die jungen Leute im Stehparterre sehen, wie sie klatschen und sich freuen und glücklich sind! Aber bei allem Fortschritt der Klangtechnik, der Farben, fühle ich eine beschämende Verarmung der Erfindung, eine Impotenz im Einfall, im wirklich musikalischen Augenblick. Die Laune fehlt, die Zartheit, die glückliche Innigkeit, die Ruhe des Schaffens. [W07/E]

Die Sechste Symphonie steht zweifellos in der Erfindung zurück hinter den früheren [W07/F]

Da kann man wirklich die ganze Erfindungsmanier – übrigens mit Vorliebe den Marschrhythmus wählend – nicht anders denn als eklektisch bezeichnen [W07/G]

Anstatt seine verbesserungsfähigen musikalischen Einfälle zu revidieren, die er so zu nehmen scheint, wie sie ihm gerade kommen [W07/J]

Aber gerade bei dieser gesuchten Einfachheit kommt es mehr noch als bei einem der früheren Werke heraus, wie gering die Erfindungsgabe ist [W07/L]


Erste Seite (i) Vorherige Seite (297)Nächste Seite (299) Letzte Seite (410)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 298 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang