- 293 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
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Immerhin muß aber betont werden, daß diese Symphonie zu den Werken gehört, die das öftere Hören sehr wohl ertragen, ja daß sie bei genauerer Bekanntschaft eher gewinnt als verliert. [M06/B]

Was nun einem klaren sofortigen Erfassen beim ersten Anhören ziemlich hindernd im Wege steht, ist der Mangel an plastischer Thematik. Die einzelnen Sätze heben sich voneinander nicht mit einer solchen Schärfe ab, das sie dem Hörer sofort klar würden. [M06/E]

wen es gelüstet, nochmals das Gehörte nachzubilden, dem geht der von Richard Specht verfaßte Führer durch die Partitur hilfreich zur Hand. Und man hätte die Symphonie doch gar zu gern als ein Erlebtes zu rekonstruieren versucht, nicht als ein Gehörtes zergliedert! Der Führer löst uns die Verschlingungen aller Themen verständlich auf und wir haben sie ganz hübsch nebeneinander, Takt für Takt, in ihrer beträchtlichen Ausdehnung. [W07/B]

Wer weiß sich hellsichtig und scharfhörig genug, um gleich beim ersten Hören Spreu vom Weizen zu sondern? Es ist schon viel erreicht, wenn man dazu gelangen kann, die Präponderanz des Großen und Schönen gegenüber dem Kleinlichen und Häßlichen klar zu erkennen und festzustellen. Ein tausendköpfiges Auditorium aber, an dessen Fassungskraft und Auffassungsvermögen so exorbitante Anforderungen gestellt werden, das überdies von physischen und nervösen Dispositionen bestimmt, von mannigfachen Stimmungs-Imponderabilien beeinflußt wird, kann unter solchen Verhältnissen kaum als verläßlicher Gradmesser der Kunstbewertung gelten. [W07/D]

auch der Aufbau der drei ersten Sätze ist [. . . ] fast verständlich klar [W07/L]

Begabung


Eine Begabung für das Erfinden und Bilden im Kleinen, als solche fruchtbar und ursprünglich, strebt, unterstützt von einer seltenen Herrschaft über die Mittel, gewaltsam nach größeren Dimensionen der Betätigung. Wenn Mahler so schriebe, wie sein Naturell ihn ungezwungen anweist, kein Mensch, so fürchte ich, würde ihn auf den Schild heben, wenn auch die musikalischen Feinschmecker ihm manches danken würden. Er bedurfte des Bizarren, Komplizierten, ins Groteske Gesteigerten, um in die Stellung zu gelangen, die er nun tatsächlich innehat. Wenn man will, also eine Tragik, wie sie sich so oft schon im Künstlerleben abgespielt hat. Daher vielleicht das Zerrissene, innerlich unfreundliche seines musikalischen Wesens. [E06/J]

Im übrigen ist Mahler ganz der alte geblieben: Nach wie vor überragt seine Gestaltungskraft die Ursprünglichkeit der Erfindung, die Regsamkeit der schöpferischen (im Gegensatze zur arbeitenden) Phantasie ; nach wie vor ist Mahler ein besserer Maler, das heißt Tonillustrator, als Freund und Offenbarer tiefgründigen Tonempfindens. Da seine Tugenden aber in der A-moll-Sinfonie besonders hell leuchten, so empfindet man hier logischerweise auch seine Schwächen weniger denn sonst. [E06/K]

Ich fand darin [im Scherzo] meine früheren Eindrücke bestätigt, dass Mahler eigentlich das Herz eines biederen Wiener Operettenkomponisten hat, und dass er auf diesem Gebiete vielleicht sehr Hübsches, Eigenes und vor allem Liebenswürdiges hätte schaffen können. So aber plagte ihn der Grössenteufel, dem seine in der Tat erstaunliche Kombinations- und Assimilierungsgabe zu Hülfe kam und zwang ihn, pathetisch zu werden, dazwischen wohl auch süßlich sentimental, wie in dem bis auf einige Lichtpunkte recht übeln Adagio. [E06/U]

Herr Mahler besitzt ein ernstes Streben und arbeitet gern an großen Entwürfen. Ob seine Begabung jedoch nicht in einem durchaus einwandfreien Maße offenbar werden würde, das bleibt - so lange eine Wahrscheinlichkeitsrechnung, bis wir eine komische Oper von ihm erhalten! [E06/X]

auch in seiner neuesten Schöpfung fordert eine starke und in ihrer Art ursprüngliche musikalische Potenz gerechte Anerkennung, und selbst wenn das ganze kein Behagen bereitet, werden viele Schönheiten im einzelnen, die ganz individuelle Kunst der Orchesterbehandlung und Kontrapunktik Achtung gebieten. [B06/H]

Aufwand der Mittel


und die ganze Art der Mache, insbesondere den fürchterlichen Aufwand an Mitteln, möchte ich als Amerikanismus bezeichnen, als die Kunst der »unbegrenzten Möglichkeiten«. [E06/U]


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