- 27 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
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Engelbert Pernerstorfer, der zentralen Figur des Kreises, leitete Adler einen Leseverein der deutschen Studenten, der »den deutschen Charakter der Wiener Universität unterstützen« sollte. Dieser Verein wurde Ende 1878 von der Regierung als ein Gefahrenpotential für die Staatssicherheit verboten.42
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Vgl. La Grange I, S. 104.
Die deutschnationalen Ziele dieser Gruppierung blieben aber bestehen und manifestierten sich 1882 in dem u.a. von Adler und Pernerstorfer ausgearbeiteten Programm des Deutschnationalen Vereins, das eine Sonderstellung Deutschösterreichs einschließlich Böhmen, Mähren und Schlesien und eine Abtrennung Galiziens, Dalmatiens, Bosniens und der Herzegowina vorsah. Somit sollte das slawische Element der Monarchie in den peripheren Provinzen auf sich selbst gestellt und das deutsche Element für das mittlere und nordwestliche Österreich in eine Vorherrschaftstellung gelangen.43
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Nach Max Ermers, Victor Adler, Wien 1932, S. 107.
Auf abendlichen Zusammenkünften des Freundeskreises »mußte Gustav Mahler immer wieder auf dem alten Klavierkasten des Lokals Deutschland, Deutschland über alles anschlagen; aber er variierte gerne die Melodie«44
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Ermers, ebd., S. 99.
. Wohlgemerkt nahm man das deutsche Revolutionslied von 1848 als Vereinshymne, das Demokratie und nationale Einheit propagierte und das die Erinnerung an die gegen die Obrigkeit zu Felde ziehenden Burschenschaftler wachhielt. Zu der nationalen Vereinigung gehörte 1848 selbstverständlich auch Österreich – in diesem Sinne verband Hoffmann von Fallersleben die Haydnsche Kaiserhymne mit seinem Lied der Deutschen. Erst nach dem Krieg 1866/67 war im Prager Frieden der tausendjährige staatsrechtliche Zusammenhang von Österreich und Deutschland beendet worden. Das Zitat spricht nicht von einer Aufforderung an Mahler, etwa das viel populärere Kampflied Die Wacht am Rhein oder die vormalige preußische Königshymne und nunmehrige Kaiserhymne Heil dir im Siegerkranz – nach der Melodie der englischen Königshymne – zu spielen.45
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Vgl. zur Hymnenfrage Guido Knopp/Ekkehard Kuhn, Das Lied der Deutschen: Schicksal einer Hymne, Frankfurt/M. 1988, bes. S. 28–57.

Neben der deutschnationalen Gesinnung vertrat der Verein soziale Forderungen wie Normalarbeitstag, Unfallversicherung und Fabrikinspektoren.46

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Ermers, ebd., S. 106.
Im Mai 1881 begann Pernerstorfer mit der Herausgabe der Deutschen Worte, der nachmals berühmten deutschnationalen Zeitschrift. In den Jahren 1883/84 kam es aber zu einer Spaltung in eine zunehmend antisemitisch orientierte Gruppierung unter Georg von Schönerer und einer vom Deutschnationalen Verein abgetrennten, stärker sozialistisch ausgerichteten Gruppe um Adler und Pernerstorfer. Aber auch Adler und seine Gefolgsleute vertraten bis zum Ende des Ersten Weltkrieges die Separierung eines demokratischen »Deutschösterreichs« von den anderen Völkern des alten Österreichs und strebten eine Angliederung an das Deutsche Reich an.47
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Ermers, ebd., S. 356f.

Die »Abneigung gegen den alternden österreichischen Liberalismus und gegen die kunstbanausische Bourgeoisie«48

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Ermers, ebd., S. 100.
förderte wohl diese Deutschorientierung. In Sachen Kunst war es – folgerichtig – das Werk Richard Wagners, was diese Gruppe ergriff. Sie organisierte einen Wagner-Verein, dem auch Mahler angehörte, allerdings

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