- 247 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
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»Gerade die sechste Sinfonie offenbart die tiefsten Wesenszüge, aber auch die Eigenheiten und Schwächen ihres Schöpfers in besonderem Grade. Man könnte von dem »Komplex Mahler« sprechen, der hier mit den Mitteln der musikalischen Psychoanalyse aufgehellt wird. An Deutungen der seelischen Beziehungen ist kein Mangel, die Sinnfälligkeit der orchestralen Einzelheiten liefert genügend Haftpunkte für die Erfassung des pessimistischen Grundklanges: Wahl der düsteren Tonart (a moll), [...] tosende Schicksalsgewalten und zermalmende Schläge des symbolhaften Hammers nach dem Aufstieg in Gipfeleinsamkeit (Herdenglocken).« [F26/B]

Musikalisch wird der Pessimismus vor allem an den Hammerschlägen und am Motto festgemacht: »von den Bitternissen und Härten, von der niederschmetternden Resignation des letzten Satzes, der wie ein Zusammenbruch unter der grausigen Wirkung der Hammerschläge wirkt« [Ka24/A]

»und bald erscheint jener, durch die ganze Sinfonie gehende schmetternde Durdreiklang mit sogleich, wie vernichtet, nach Moll gewendeter Terz, der als Symbol des in seinem Kampfe gegen das Starre, Stumpfe, Niederzwingende dem Pessimismus verfallenden Helden der Sinfonie anzusehen ist.« [K27/B]

Die weiteren Nennungen entsprechen den Beispielen oder bringen die Konnotation in allgemeinerer Form [W19/C; B20/B; Wb21/C; H21/C; B24/B; F26/C; D30/B; W33/A; W33/E]. Ganz eng verbunden ist die Idee des Pessimismus mit der Wahrnehmung des Düsteren, wofür zwei Beispiele angeführt werden sollen: »eine umdüsterte Welt, die mehr auf unglückliche Hinneigung des Dichters zum Pessimismus, als auf unverdientes tragisches Geschick schließen läßt« [B20/B]

»Kein Lichtblick fällt in sie hinein, kein Ton der Liebe, der Güte und des Mitleids erklingt in ihr, niemals erhellt sich in ihr die gedrückte Atmosphäre; rücksichtslos verfolgt Mahler in ihr den Weg, wie ihn der Ausgangspunkt und die richtunggebende Idee des Werkes bestimmten, wie ihn die psychischen Voraussetzungen, unter denen die Sinfonie entstand und das Ziel, dem sie zustrebt, vorschreiben.« [H21/B]

In den Beispielen wird deutlich, daß sich die einzelnen Ideen und Konnotationen häufig ergänzen oder nahe beieinander stehen. Das gilt auch für die weiteren Nennungen in der Kategorie obskur, düster [W19/C; H21/F; Ka24/D; F26/C; K27/B; W33/E; W33/F; W33/H; Ka24/D; H21/D; F20/B], weshalb auf weitere Beispiel verzichtet werden kann. Auch die Wahrnehmung des Grauenvollen gehört mit zu diesem Komplex – eine Kategorie, die 1906–07 kaum präsent war: »Unerbittlich, grausam, erbarmungslos und hart zieht diese Sinfonie [...] an uns vorüber« [H21/C]

»diese grauenvollste Darstellung alles Irdischen« [W19/C]

»Ich stehe ihr mit einem gewissen Grauen gegenüber« [B24/B]

»Was in der »Sechsten« abgehandelt wird, führt in [die] schaurigsten und einsamsten Bezirke geistigen Daseins.« [W33/B]


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