- 246 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
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Ferner gibt es weitere Zerstörungswahrnehmung in den in diesem Zusammenhang teils schon genannten Kritiken H21/C, H21/D, H21/E, Ka24/D, F26/A, F26/C, K27/B, K27/C, W33/B, W33/E, W33/F. Die Zerstörung wird hier fast ausschließlich am Finale mit dem Hammer festgemacht. Die in der gleichen Kategorie 1906–07 genannten Äußerungen zeigten sich heterogener und machten Zerstörung auch im harmonischen, ästhetischen und satztechnischen Bereich fest. Hier, 1919–33, bündelt und konzentriert sich die Wahrnehmung auf das Finale mit den Hammerschlägen.

Die Kategorie Pessimismus, Resignation, trostlos, die für die Erfassung der Symphonie eine große Rolle spielt, schließt sich an und erweitert dieses Wahrnehmungsfeld, wobei die Bewertung sehr unterschiedlich ausfallen kann: »Selbst wer nicht zu den unbedingten Verehrern Mahlerscher Kunst gehört, wird von der Last des ungeheuren Pessimismus gepackt, von der Tragik der kaum noch erträglichen inneren Zerrissenheit, die in dem [...] sinfonischen Gebilde um Ausdruck ringt.« [D30/A]

»Fast in ihrem gesamten Verlauf betont sich in dieser Symphonie eine verletzende Lieblosigkeit, fast alles kommt aus Kälte, Härte, Ingrimm und ihre schlechte Laune läßt auf schlechte Verdauung, auf einen in Unordnung geratenen Körper schließen. Hat sie ein Menschenfeind geschrieben? Einer von den Abseitigen, von den Einsamkeitssuchern, die sich in ungenügender Selbstsucht verzehren, einer, von dem das Wort Goethes gilt: Erst ein Verächter, dann verachtet? Es ist grauenvolle Musik voll Verzerrungen, die von einem ständigen Kampf des Rhythmus erschüttert wird. Eine nahezu mephistophelische Lust am Verbiegen, Zerren und Karikieren, eine hysterische Freude an erregender Unnatur, an Spiegelungen wie aus hohl geschliffenen Gläsern heraus, die alles Gerade, Einfache, Schlichte zu grotesker Komik entstellen, kennzeichnet diese konstruktive, neurasthenische, wilde und phantastische [...] Musik. [...] dieser dem Zug der Zeit zum Monströsen, Unförmigen, Mammuthhaften folgenden Symphonie, die Mahler keineswegs überzeugend die »tragische« genannt hat« [H21/D]

Wie hier schon wahrnehmbar, wird vielfach der Bezug zum Komponisten angesprochen: »Ohne daß man einen Einblick gewonnen in Mahlers komplizierte geistige Verfassung und seine Befruchtung aus tausend Ecken, von hundert Widerwärtigkeiten des Daseins, wird ein Verfolg gerade dieses Werkes erschwert. Man muß sich schon seine schwefelsaure Miene und die entsprechende Geistesverfassung sowie seine Kindlichkeit vorzustellen vermögen, um hinter diesem Dickicht auch reinere Sphären, ein ideales Ziel zu finden. Die Entstehungszeit des Werkes, eines ohne Frage gewaltigen Wurfs von Unerschrockenheit und zahlreichen Ueberspitztheiten, fällt in eine Wiener Periode, in der sich ihm der Ekel am Getriebe aufdrängte.« [H21/F]

»Es ist kein Musizieren im gewöhnlichen Sinne, es ist eine leidenschaftliche Auseinandersetzung mit den Fragen um das Letzte, Entscheidende, die ja Mahler, den Grübler und Sucher, niemals verlassen haben. Die Trostlosigkeit des einsamen Menschen, der Mahler immer geblieben ist, lastet auch über weite Strecken dieses Werkes, das so gar nichts »Gefälliges« an sich hat, [...]« [Ka24/C]


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