- 225 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
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Zwei der drei Militaria-Nennungen des vierten Satzes sind schon genannt worden: Zum einen der Krupp-Bezug [E06/Q], zum anderen die in beiden Ecksätzen wahrgenommene »heroische Melodik im kriegerischen Marschrhythmus« [E06/V]. Der schon erwähnte Max Kalbeck bemerkt zum vierten Satz: »Wer gleich mit vier Flöten, Oboen, Klarinetten, Baßklarinetten, drei Fagotten, Kontrafagott, acht Hörnern, vier Trompeten, drei Posaunen und Baßtuba nebst türkischer Musik, Xylophon, Glockenspiel, Herdenglocken, Harfen und doppelt besetzter Celesta anrückt, müßte schließlich Knallbüchsen schweren Kalibers oder noch besser Bomben und Kanonen auffahren lassen, wenn er konsequent sein will. Gong und Hammer sind um kein Haar edlere Instrumente, und ihr Getöse bleibt hinter tüchtigen Kanonenschlägen doch zurück, ohne mehr zur Erhöhung der tragischen Würde beizutragen.« [W07/J]

Diese Persiflage auf Mahlers großen instrumentalen Apparat und die neu eingeführten Instrumente unterstreicht den Gesamteindruck, daß die genannten Militaria kaum auf eine allgemeine Wahrnehmung von Krieg in dieser Symphonie schließen lassen. Sie sind zahlenmäßig eher gering und bleiben inhaltlich zum Teil rudimentär, wie bei Kalbeck.

Große Aufmerksamkeit muß die Wahrnehmung des Marsches im Werk beanspruchen. Er wird für den ersten Satz viel häufiger proklamiert als für den vierten: 15 Nennungen = 50 % gegenüber 6 = 13,3 %. Marschcharakter wird im vierten Satz nicht in dem Maße erkannt wie im ersten. Im Scherzo wird er gar nicht angesprochen. Er wird stärker bei den einzelnen Sätzen thematisiert als bei der Symphonie als Ganzes. Das ist auch der Grund dafür, daß er bei der Zusammenzählung aller Nennungen stärker hervortritt als bei der »Symphonie als Ganzes«: 36,2 % gegenüber 6,7 %.

Die näheren Charakterisierungen der 15 Marsch-Nennungen im ersten Satz bringen, wie oben schon erwähnt, in drei Fällen (20 %) die Begriffe kriegerisch bzw. militärisch [E06/V, B06/E, B06/F]. Des weiteren wird er als »ernst, heroisch« [E06/E], »Grobschmieds-Stil« [E06/U], »markant«, [E06/W], »packend, dämonisch« [E06/e], »läßt an trotziger Brutalität nichts zu wünschen übrig« [M06/A], »scharf« [W07/H], »hartnäckig [. . . ] scharfakzentuiert« [W07/L] bezeichnet. Zwei Nennungen bezeichnen ihn als typisch für Mahler [E06/J, W07/B], bei drei weiteren liegt keine nähere Charakterisierung vor [E06/C, B06/G, W07/D]. Es läßt sich feststellen, daß Charakteristika der Parade-Märsche wie strahlend, glänzend, glorios, heiter, munter, beschwingt usw. vollständig ausbleiben. Die 6 Nennungen zum vierten Satz bestätigen das Bild: »ernst, heroisch« [E06/E], »heroisch, kriegerisch« [E06/V], »stolz« [B06/C], »frivol« [W07/C], »unscheinbar, schlicht« [W07/D] und keine Charakterisierung [E06/C].

Die zentralen Merkmale der Wahrnehmung der Symphonie 1906–07 können aus den am häufigsten genannten Kategorien abgelesen werden. Dabei werden die Bemerkungen zur Symphonie als Ganzes den Gesamtnennungen gegenübergestellt:


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