- 141 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
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Auflagen müßten als Folge der Papier- und Druckverhältnisse ohne Bilder und Notenbeispiele dargeboten werden67
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Richard Specht, Gustav Mahler, Berlin, 9.-12. Auflage o.J. [1918], S. 9.
, auch habe es textliche Änderungen gegeben68
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Ebd. S. 12.
. Wenn dann aber, nach den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges, wie 1913 noch immer nur von »kostbaren, rauhen, lustigen und schaurigen Soldatenstücken«, von »köstlichen, jahrhundertealten Holzschnittblättern aus dem Kriegsleben«, gesprochen wird, wenn selbst Revelge nur charakterisiert wird als »von einer grausigen, beklemmenden Meisterschaft: Matthäus Grunewald [sic] in Tönen, aber einer der Callot geahnt hat«69
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Ebd. S. 167.
, dann mag es fast verwundern, daß hier keine engeren Bezüge zwischen den Liedern und der erlebten Gegenwart gezogen werden. Specht nimmt den Kriegsbezug von Revelge in der Auflage 1918 gegenüber der von 1913 sogar noch zurück: 1913 hatte er Revelge charakterisiert als »Callot oder Goya in Tönen«70
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Richard Specht, Gustav Mahler, 1. Auflage, Berlin 1913, S. 166.
, 1918 heißt es dagegen »Matthias Grunewald in Tönen, aber einer, der Callot geahnt hat«. Dadurch, daß in der Auflage am Ende des Weltkrieges Goya ganz fehlt und Callot nur erscheint als Ahnung von dem spätmittelalterlichen Grünewald, ist ein aktueller Kriegsbezug von Revelge deutlich abgeschwächt. Die Verwunderung über die von Specht nicht thematisierte Gegenwartsrelation ist besonders dadurch begründet, daß genau wie Adler auch Specht wiederholt von den antizipierenden Fähigkeiten Mahlers spricht, die sich in seinen Werken niedergeschlagen haben.71
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1905, S. 26; 1913, S. 161f, 165; 1918, S. 163, 167.

Ein Kriegsbezug ist auch bei Guido Adler nicht zu finden: Als er 1920 auf dem Mahler-Fest in Amsterdam über Mahlers Persönlichkeit referierte, verblieb er betreffs der Soldatenthematik in der naiven Sichtweise der Vorkriegszeit.

»Dort in der Ecke steht die katholische Kirche und daneben die Kaserne, deren wechselnde Garnisonen die spießbürgerliche Gesellschaft beleben und besonders die jungen Offiziere verleihen dem Bilde am Stadtkorso Farbe und bringen die Gemüter der jungen Mädchen in Schwingung.«72

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Guido Adler, Gustav Mahlers Persönlichkeit, in: C. R. Mengelberg (Hg.), Das Mahler-Fest Amsterdam Mai 1920, Wien-Leipzig 1920, S. 17.

Die Situation, die er schildert, entspricht exakt dem Beginn von Revelge – daß der weitere Verlauf der Geschehnisse bei Mahler ins Verderben führt, nahm Adler nicht wahr. Obwohl die älteren Mahler-Autoren – Specht, Stefan und Adler – die antizipatorischen Qualitäten Mahlers hervorhoben, gelangten sie nicht zu dem weiterreichenden Gedanken, daß damit nicht nur Ereignisse der persönlichen Biographie gemeint sein können, sondern auch Entwicklungen der Weltgeschichte schlechthin. Diese Inbezugsetzung sollte einer nach dem Ersten Weltkrieg in die Diskussion eintretenden neuen Generation vorbehalten bleiben.

Hans Ferdinand Redlich veröffentlichte 1919 – mit 16 Jahren! – eine 33-seitige Broschüre mit dem Titel Gustav Mahler. Eine Erkenntnis73

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Nürnberg 1919.
. Die Widmung lautet: »Meinem Onkel Fritz Redlich, dem treuen Freunde Gustav Mahlers gewidmet«. Mahler lebte im September 1909 als Gast in der Villa des Industriellen Fritz Redlich im mährischen Göding und arbeitete dort am Lied von der Erde. Schon 1903 war er Gast bei Redlich gewesen.74
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Blaukopf, Dokumente, S. 265f.; eine Abbildung des Hauses unter Nr. 305.
Es bestand also eine persönliche Beziehung zu

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