- 139 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
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dreiteilige Marignano-Fresco Hodlers, das er 1899 für das Landesmuseum in Zürich vollendete, also im gleichen Jahr wie Mahler seine Revelge. Tatsächlich findet sich bei Hodler im rechten Seitenfeld ein »Fähnrich mit abgeschlagenen Beinen« und im des weiteren eine Fülle von gefallenen Kriegern. Das Mittelfeld, der »Rückzug bei Marignano« jedoch zeigt energische, entschlossene und trotzige Kämpfer. Hodler selbst bestätigte, er »habe hier das hartnäckige, kräftige Schweizervolk gemalt«. In der Schlacht von 1515, der übrigens auch Clément Janequins berühmte Chanson La Bataille/La Guerre gilt, mußten die Eidgenössischen Söldner, die damals gefürchtetste Militärmacht Europas, gegen die französischen Truppen zurückweichen, was die Schweizer zur nunmehrigen Politik der Neutralität führte.52
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Zu dem Fresco insgesamt: Ferdinand Hodler. Ausstellungskatalog der Nationalgalerie/Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz Berlin, Musée du Petit Palais Paris und Kunsthaus Zürich 1983, S. 124f.
Dieses Sujet konnte Hodler zu jener Zeit zumal an so exponierter Stelle nicht anders als ein heroisches Ereignis darstellen. Hodler besuchte die Familie Mahler 1904 in Wien anläßlich einer Ausstellung seiner Bilder in der Secession.53
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Alma Mahler, Erinnerungen, S. 88. 1910 erwähnt Mahler Hodler in einem Biref an seine Frau in anderem Zusammenhang. (Mahler, Briefe an Alma, S. 438).

Paul Stefan geht in seinem Mahler-Buch, das nach dem ersten Erscheinen 1910 in zahlreichen, teils veränderten Auflagen wieder aufgelegt wurde, auf die Wunderhorn-Lieder ein und schreibt lapidar, Mahler habe sich in den Gedichten des Wunderhorns heimisch gefühlt und sich selbst darin wiedergefunden; das Wunderhorn habe ihm die Worte gegeben, die er gesucht habe. Weitere Angaben, warum Mahler sich selbst darin wiedergefunden und welche Worte er besonders gesucht habe, macht Stefan nicht, ebenso wenig wie er eine Begründung für die gehäufte Soldatenthematik zu geben sucht. Er marginalisiert bzw. umgeht diese Vorkommnisse.54

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Paul Stefan, Gustav Mahler. Eine Studie über Persönlichkeit und Werk, München 1910, S. 78–82
In der 1920 erschienenen »vermehrten und veränderten Ausgabe« des Buches55
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dto. München 1920.
stellt Stefan keinen Bezug zwischen dem Ersten Weltkrieg, den er anspricht, und etwa Revelge her56
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Die Möglichkeit hätte sich auf S. 160 geboten, wo er den ersten Weltkrieg anspricht.
; die Passage über die Wunderhorn-Lieder ist fast wörtlich aus der älteren Ausgabe übernommen57
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S. 104–108.
.

Georg Göhler, der mit seinem Leipziger Chor an der Uraufführung der Achten Symphonie 1910 teilnahm, veröffentlichte im gleichen Jahr zwei Artikel über Gustav Mahlers Lieder. Für ihn steht die Subjektivität dieser Werke außer Zweifel – Mahler habe sie für sich geschrieben, zur Entlastung seines Innern von Empfindungen, die ihn bewegten.58

58
Georg Göhler, Gustav Mahlers Lieder, in: Die Musik 10 (1910/11), S. 357.
Göhler, den Paul Stefan einen »konservativen Dirigenten und Musikschriftsteller« nannte59
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Stefan, Mahler, 1910, S. 63.
, entdeckt in den Wunderhorn-Liedern politische Spuren:

»Die soziale Not, die das Gedicht Das irdische Leben mit so grausiger, naiver Einfachheit schildert, tritt in der Musik Mahlers dem Hörer direkt vor die innerste Tür seines Herzens und erzwingt sich die tiefste Teilnahme. Das wahrhaft grandiose Lied des Verfolgten im Turme kann ich mir, etwa


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