- 113 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
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»natürlich drängend«, Takt 160 »Nicht schleppen«, Takt 166 »Etwas drängend«. Mt diesen Tempowechseln gehen des weiteren harmonische Rückungen einher, die dynamisch hervorgehoben werden: in Takt 120/121 von F-Dur nach As-Dur, in Takt 123 weiter nach A-Dur, in Takt 135 von F-Dur nach Des-Dur, in Takt 139 nach As-Dur und in Takt 140 nach A-Dur, in Takt 157 von F-Dur nach D-Dur. Die f-Moll-Episode Takt 183–198 ist wiederum deutlich von Tonrepetitionen und Marschrhythmen geprägt, die auch in dem »langsameren« Tempo nicht unkenntlich sind. In diese insgesamt ruhigere Sphäre fährt zweimal abrupt der eigentliche Marsch hinein: zunächst mit den plötzlichen Fortissimo-Repetitionen in Takt 195 und dann, nach dem Diminuendo, mit abermaligem Fortissimo und »Tempo I. subito« in Takt 199. Die sich anschließende Scherzo-Partie (Takt 199–272) greift den wuchtigen Marschgestus des Anfangs wieder auf. Anders als am Anfang beruhigt sich die Bewegung jedoch bald (Takt 227), kehrt dann zum ersten Gestus zurück (Takt 239), verläßt diesen abermals zugunsten einer kurzen pp-Enklave (Takt 253ff.), nimmt die Repetitionen im Fortissimo wieder auf (Takt 259) und bringt vehemente A-Dur-Marschrhythmen in den acht Hörnern (Takt 261–264), bevor eine allgemeine Beruhigung eintritt, die in den folgenden Trio-Teil einmündet. Insgesamt ist dieser zweite Scherzo-Abschnitt stärker als der erste von einem Wechselspiel geprägt, bei dem die mehrmals eingefügten Ruhephasen immer vom abrupt hereinfahrenden Marsch destruiert werden. Das zweite Trio unterscheidet sich im Charakter nicht entscheidend vom ersten, obwohl es – typisch für Mahler – gegenüber dem ersten deutlich variiert ist: auch hier gibt es im langsameren Tempo eine unterschwellige Marschwahrnehmung, auch hier wird die ruhige Atmosphäre durch Tempoverschärfungen (Takt 288, 303, 316, 336) und harmonische Rückungen (Takt 300/301, 313/316, 336) gestört. Markierte Tonrepetitionen in langsamem Tempo leiten zur folgenden Episode (Takt 355–371), nun in Des-Dur, über. Anfangs sind hier auch im langsamen Tempo Marschrhythmen wahrnehmbar, die aber zurücktreten, bevor in Takt 372 abrupt das Scherzo-Material einfällt. Nach diesem ungestümen Marsch (Takt 372–400) klingt der Satz ruhig aus, indem Motivik aus Trio, Scherzo und Episode kombiniert wird. Insgesamt lassen sich zwei Gestaltungsmerkmale ausmachen, die einen Bezug zu Kriegerischem zulassen: Zum einen die fast durchgehend wahrnehmbaren marschartigen Tonrepetitionen und zum anderen die ständigen atmosphärischen Störungen.

Von all diesem ist im Andante moderato nicht das geringste zu verspüren. In keinster Weise läßt sich irgendein Marschgestus vernehmen und nirgends wird die Stimmung durch abrupte Tempowechsel, harmonische Rückungen, Sforzati oder sonstige Wandlungen durchkreuzt. Auch die beiden Aufschwünge nach Takt 65 bzw. 146 können die friedvolle Stimmung nicht verdrängen. Zwar dramatisiert sich vor allem im zweiten Aufschwung hier das Klanggeschehen, doch eine für Momente bedrohliche Atmosphäre verwandelt sich alsbald in hymnische Klänge, die sich beruhigen und so den Satz zart ausklingen lassen.

Die Einleitung zum Finale läßt sich insgesamt als ein Bindeglied zwischen dem Andante moderato und dem Finalsatz wahrnehmen. Es handelt sich jedoch nicht um einen fließenden Übergang, sondern um ein Mischen und Abwechseln der Atmosphären beider Bereiche. Die Welt des Andante moderato setzt sich fort im langsamen Tempo, in Pianissimo-Feldern, im Glockengeläut, in Harfenglissandi und


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