- 112 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
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»Sehr energisch!«, führt zum Marsch zurück, ohne die repetierten Viertel aufzuweisen. Die Marschwahrnehmung entsteht hier durch die starke Betonung der einzelnen Viertel, markiert durch Betonungszeichen, verbunden mit punktierten Achteln gefolgt von Sechzehnteln, beides im entsprechenden Marschtempo. Die Reprise des Hauptsatzes ab Takt 286 greift den ihm eigenen Marschcharakter wieder auf. Der sich nach dem Motto anschließende Choral entzieht sich durch kontinuierliche Achtelbewegung dem Marschmoment. Das Fehlen des Marsches setzt sich im Seitensatz bis Takt 373 fort. Die in Takt 374 einsetzende Coda kehrt sofort ganz entschieden zum Marschrhythmus zurück. Die satzabschließenden gut 100 Takte behalten ihn zwar nicht in dieser Strenge bei, aber mittelbar ist das gesamte Geschehen von der Marschidee bestimmt. In diesem ersten Satz trägt vor allem der Hauptsatz ganz deutlichen Marschcharakter. Daneben ist der Choral damit zum Teil unterlegt, während der Seitensatz davon völlig frei ist. Hinzu kommen Marschpartien in einigen Episoden, so in der Einblendung im Seitensatz, in der Hinführung zur Reprise und in der Coda. Es läßt sich demnach festhalten, daß weite Passagen des Kopfsatzes dieser Symphonie von der Idee des Marschierens erfüllt sind. Damit gestaltet Mahler zum vierten Mal einen symphonischen Kopfsatz in Marschform. Während es sich bei der Zweiten und Fünften um Trauermärsche handelt, steht der erste Satz der Dritten ebenso wie der der Sechsten dem normalen Militärmarsch nahe. In jedem Fall handelt es sich um ein Novum in der Tradition der Symphonie.

Entgegen seinem traditionellen Charakter setzt auch das Scherzo den Marschgestus fort. Genau wie im ersten Satz beginnt auch hier der repetierte Grundschlag – hier in Achteln – schon bevor musikalische Motivik hinzutritt. Zunächst ist der gesamte Scherzo-Teil von gestoßenen Tonrepetitionen durchzogen. Die Verfahrensweise hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Beginn der Ersten Symphonie von Brahms, wo innerhalb eines Dreiermetrums – dort der 6/8-tel-Takt – ebenso Tonrepetitionen erscheinen. Das Dreiermetrum ist an sich untypisch für den Marsch. Mahler verschleiert jedoch das Marsch-Untypische des Dreiermetrums, indem er in den Pauken ein Sforzato auf die Drei, in den Bässen dagegen auf die Eins legt. So werden mehr die einzelnen Schläge als die Dreierbetonung wahrgenommen, wodurch sich die Bewegung stärker für die Marschwahrnehmung öffnet. Im ersten Scherzo-Teil bis Takt 97 erscheinen Tonrepetitionen in den Takten 1–6, 9–11, 14–18, 25–26, 29–30, 34-37, 45, 47, 51, 53, 55, 55, 65–66, 68–70, 73–75 und 91–97, also in insgesamt 42 Takten. Der militärische Charakter wird unterstrichen durch die Fanfarenklänge in den hohen Holzbläsern in den Takten 11–15, 26–29 und 70–73. Die Wiederholungen dieses Motivs in den Bässen (Baßklarinette, Fagotte und tiefe Streicher) in den Takten 18–20 und 75–77 sind demgegenüber als Fanfare nicht in gleicher Weise erkennbar. Die Tonrepetitionen tauchen auch im Trio vielfach auf, können hier aber nicht mit gleicher Sicherheit als Marschmomente angesprochen werden, da das »merklich langsamere« Tempo und die verhaltene Instrumentierung die Marschempfindung abschwächen. Auch hier wird das Dreiermetrum verdeckt, und zwar 2/8- und 3/4-Takten. Während also einerseits die Empfindung eines einerseits die Empfindung eines regelmäßigen Tanzgestus im Dreiermetrum verhindert wird, bleibt durch häufige Tonrepetitionen die unterschwellige Wahrnehmung eines Voranschreitens doch bestehen. Die ruhige Atmosphäre dieses Teils wird mehrfach gestört, und zwar zum einen durch Tempowechsel: Takt 111, 123 und 141


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