- 108 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang 
  Erste Seite (i) Vorherige Seite (107)Nächste Seite (109) Letzte Seite (410)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

weiter. Im ersten Abschnitt des zweiten Durchführungsteils (Takt 336–363) dominierten die Marschrhythmen; im dritten Unterabschnitt (Takt 385–396) ließen sich die Marschrhythmen kaum noch bändigen, so Jülg. Des weiteren sei der dritte Teil der Durchführung (Takt 397–440) von der expansiven Kraft des Marsches geprägt. Auch im letzten, vierten Durchführungsabschnitt werde mit Marschrhythmen gearbeitet.123
123
Hans Peter Jülg, Gustav Mahlers Sechste Symphonie, München-Salzburg 1986, S. 56, 61, 64f., 79, 119–112, 125–127, 130–133, 144–146.
Jülg deutet die Marschrhythmen mit folgenden Worten: »Trotz aller Bewegung und vorwärtstreibenden Kraft der Marschcharaktere bleiben die musikalischen Aussagen immer dieselben, sie kreisen stets um das eine: um die Ausweglosigkeit, sich von den Marschcharakteren, von der Negativität des Marschieren-Müssens, zu trennen.« Diese »Negativität des ständigen Marschieren-Müssens« lasse eine affirmative Lösung nicht zu.124
124
Ebd. S. 65 und 158.

Eine geringere Aufmerksamkeit schenkt Constantin Floros dem Marsch in der Sechsten. Zwar führt er aus, daß die Idee des Marsches weiten Partien in den Ecksätzen ihr Gepräge aufsetze, aber daneben vermögen sich auch andere Charaktere zu behaupten: für die Wahrung des Gleichgewichts sei auch hier gesorgt. Im einzelnen nennt er im Kopfsatz Marschartiges im Hauptsatz der Exposition (Takt 1–56), im ersten Teil der Durchführung (Takt 123b-177), im zweiten Teil (Takt 178–196) und im vierten Teil (Takt 251–285), ferner in der Coda (Takt 376ff.) Die Hauptteile des Scherzos haben, so Floros, stimmungsmäßige Verwandtschaft mit einigen Stellen aus dem Kopfsatz in den pochenden Rhythmen der Pauken, der Violoncelli und der Kontrabässe. In der verhältnismäßig kurzen Darstellung des Finales nennt er den Hauptsatz marschmäßig. Auf eine Deutung des Marsches in der Symphonie verzichtet er hier im dritten, 1985 erschienen Teil seiner Mahler-Monographie.125

125
Constantin Floros, Gustav Mahler III, Wiesbaden 1985, S. 155–183.
Schon im zweiten Teil von 1977 war Floros grundsätzlich auf den Marsch bei Mahler eingegangen. Hier referiert er zunächst die drei schon existierenden Begründungen für die zahlreichen Märsche bei Mahler, bevor er sie alle verwirft: Richard Spechts Herleitung aus Mahlers Iglauer Kindheit mit der Nähe zur Garnison, Max Brods Verweis auf die ostjüdische chassidische Volksmusik und Paul Bekkers Erklärung als eine formbestimmende Grundidee, in der sich das Entstehen in der Bewegung, die unablässige Veränderung darstelle. Floros dagegen zeigt die Tradition von Marschmäßigem in der symphonischen Musik des 19. Jahrhunderts auf. Bei Liszt findet er in der Hungarica drei Typen von Marschsätzen: das Andante marziale, die Marcia funebre und das Allegro marziale. Letzteres sei in den Ecksätzen der Sechsten vertreten, daneben im Kopfsatz der Dritten, in Revelge und Der Schildwache Nachtlied. Als musikalische Merkmale dieses Typus nennt er die – mehr oder minder – vollständige Schlagzeugbesetzung des Militärorchesters: Pauken, große Trommel, Triangel, kleine Trommel, Becken. Des weiteren charakterisieren prägnante und differenzierte Rhythmen diesen Typus, die jedoch nicht näher spezifiziert werden. Die Frage, warum Mahler in den genannten symphonischen Sätzen das Schlagwerk des Militärorchesters besetzt, bleibt offen, bei den beiden Liedern mag der Text es nahelegen.126
126
Constantin Floros, Gustav Mahler II, Wiesbaden 1977, S. 135–142.


Erste Seite (i) Vorherige Seite (107)Nächste Seite (109) Letzte Seite (410)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 108 -Hanheide, Stefan: Mahlers Visionen vom Untergang