hochgradig assoziativ besetzten musikalischen Reizvokabeln, die isoliert,
punktuell (ohne melodische oder kontrapunktische Bindungen) eingesetzt und rezipiert
werden«14
Thiel zit. n. Kloppenburg (2000b), S. 43
|
arbeiten. Bereits Kracauer spricht im Zusammenhang mit dem
Parallelismus von Musik und Bild von »längst zu Klischees erstarrten
Melodien«,15
Kracauer, Siegfried: Theorie des Films. Die Errettung der äußeren Wirklichkeit (hrsg. von
Karsten Witte). Frankfurt am Main: Suhrkamp 1985, S. 195
|
die automatisch stereotype Reaktionen hervorrufen.
Eben jene Reaktionen gleichen einem konditionierten Reiz: »Indem Musik aufs
Stichwort Natur einschnappt, wird sie auf die billigste Stimmungsmache reduziert, und
die Assoziationsschemata sind so allbekannt, daß längst nicht mehr wirklich
etwas ›illustriert‹, sondern nur der Gedanke ›aha Natur‹ automatisch ausgelöst
wird.«16
Adorno/Eisler (1996), S. 30
|
Noch
drastischer beschreibt George Vinovich die Reizreaktion, indem er ein ähnliches Bild wie Malle
im einleitenden Zitat verwendet: »We have defined the buttons to push in order to elicit this
response.«17
Vinovich, G. zit. n. Bullerjahn, Claudia: Grundlagen der Wirkung von Filmmusik. Augsburg:
Wißner 2001, S. 205
|
Während Thiel und Kracauer in ihrer Kritik an einem klischeehaften parallelen
Gebrauch von Bild und Ton weitgehend auf die Kompositionsästhetik der Filmmusik
anspielen, lehnen Adorno/Eisler und Schneider die Standardisierung auch aufgrund
ihrer Tendenz ab, die Rezeptionsfähigkeit des Publikums zu verändern und zu
nivellieren. Adorno/Eisler kritisieren den Aspekt der Unausweichlichkeit der
Massenkultur, die »weitgehende Standardisierung des Geschmacks und der
Rezeptionsfähigkeit«18
Adorno/Eisler (1996), S. 13
|
bedeute. Schneider geht noch einen Schritt weiter, indem er der massenindustriell gefertigten
und verbreiteten Musik (wovon sich manche Filmmusik zweifelsohne nicht frei machen
kann) vorwirft, in die Fähigkeit der Sinne des Filmbetrachters einzugreifen, der lediglich
»Pseudoemotionen«19
Schneider, Norbert Jürgen: Handbuch Filmmusik II. Musik im dokumentarischen Film.
München: Ölschläger 1989, S. 207
|
verspüre, die er kognitiv klassifiziere, ohne sich auf sie einzulassen: »Aus alledem resultiert
letztendlich eine passive Konsumhaltung: Durch die ständige Überforderung der Sinne geht
das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Sinne verloren. Der Tod der Sinnlichkeit ist
angesagt.«20
Vor dem Hintergrund dieser pessimistischen Perspektive erscheint Malles Anspruch,
sich nicht auf bewährte musikalische Floskeln einzulassen, in einer neuen Dimension. Er
propagiert eine Ehrlichkeit des Kommunikationsprozesses zwischen Regisseur
und Publikum und verurteilt gleichzeitig den einflussnehmenden Gebrauch
von Musik als ›billigen Trick‹: »C’est [la musique] très manipulateur et on
l’utilise beaucoup dans le cinéma moderne d’une façon qui parfois m’énerve
prodigieusement, parce que c’est une facilité, c’est une vulgarité quelque
part.«21
Louis Malle in: Le bon plaisir (»Sie [diese Art von Musik] verfährt sehr manipulatorisch
und man verwendet sie vor allem viel im modernen Kino in einer Art und Weise, die mich
manchmal gewaltig nervt, denn es ist ein billiger Trick, ja in gewissem Sinne ein niedriges
Niveau.«)
|
|